Ein Star ist Faldela Tolker zweifelsohne. Im passend zur Hausfarbe gewählten lila Kleid bittet die resolute Südafrikanerin zur „Cape Malay Cooking Safari“, scheucht unfähige Touristen durch ihre kleine Küche und wimmelt nebenher lästige Journalistenanfragen ab. Zeit? Nein, vielleicht später. „Das war die BBC“, schmunzelt die „Küchen-Queen“ und schwenkt den Kochlöffel. „Ich war überall schon im Fernsehen zu sehen. Auch bei euch. Ich bin ein Star.“ Mit viel Hingabe und einer großen Portion Humor lehrt Faldela ihren Besuchern das Kochen. In ihrem Privathaus mitten im malaysischen Viertel mit seinen farbenfrohen Häusern nimmt sie Touristen mit auf eine kulinarische Reise ins „echte“ Kapstadt. Und das ist schwerer zu finden, als man denken mag.

Die Metropole am südwestlichsten Zipfel Südafrikas hat seit Ende des Apartheid-Regimes 1994 eine beispiellose Wandlung vollzogen. Trotz hoher Kriminalitätsrate ist Kapstadt eine beliebte Touristendestination, davon zeugen nicht nur internationale Shops, Luxushotels und eine boomende Gastro-Szene in der Innenstadt. Längst haben die Einheimischen das Potenzial des Fremdenverkehrs erkannt. In den reichen Bezirken der Stadt wähnt man sich an der mondänen Côte d’Azur, spaziert an weißen Sandstränden entlang und frühstückt in entzückenden Bistros.

Fast ist man geneigt zu vergessen, dass es da noch das andere Kapstadt gibt. Eine Stadt, in der die Weißen noch immer zehnmal so viel verdienen wie die Schwarzen. In der jeder zweite Schwarze und fast jeder vierte Farbige arbeitslos sind. Von diesem Kapstadt erzählt Mike Zuma, während er Touristen durch die Townships führt – jene Bezirke der Stadt, die anderswo Slums genannt werden.
Die „Township Tours“ bieten keinen Elendstourismus – im Gegenteil. „Wisst ihr, es ist komisch“, erzählt Mike. „Die Touristen fahren in ihre Safariparks und die Einkaufszentren und glauben, sie haben Südafrika besucht. Aber das stimmt nicht. Hier, in den Townships, leben die meisten Menschen. Das ist Kapstadt.“ Den Besuchern zeigen die von Einheimischen organisierten und begleiteten Touren die modernen Teile der Townships – die Jugendzentren, die Straßenkunst. Gemauerte Häuser mit kleinen Gärten, fröhliche Familien, imposante Kirchen.
„Das hier ist keine Safari. Früher kamen die Touristen her und haben uns fotografiert, als ob wir Tiere wären. Jetzt laden wir Fremde aktiv zu uns ein und bitten sie, auch diesen Teil von Kapstadt anzuschauen. Mit uns.“ Freilich gibt es Bereiche, die Mike nicht zeigt. Die halb verfallenen Wellblechhütten am anderen Ende der Townships, die bettelnden Kinder, die Plakate, die günstige Abtreibungen versprechen. Auch das ist Kapstadt. Noch immer.

Die Apartheid, die das Land so lange geprägt hat, ist nach wie vor spürbar. Sie ist ein Teil der Geschichte des Landes – aber ein Teil, den die Bewohner akzeptiert haben. So sind etwa die bunten Hausfarben im malaysischen Viertel auf die einst hier (zwangs-)angesiedelten Sklaven zurückzuführen. Die Analphabeten konnten mit Hausnummern und Straßennamen nichts anfangen, also bemalten sie ihre Häuser in den unterschiedlichsten Farben. Heute wohnt hier der Mittelstand, der sich langsam zwischen Reich und Arm etabliert. Die Häuser aber sind noch immer bunt, und nicht selten kultivieren Bewohner wie Faldela Tolker das Farbspiel mit passender Kleidung und abgestimmten Autos.

Egal, welche Teile Südafrikas man als Tourist bereist, einer Sache wird man immer begegnen: der unvergleichlichen Herzlichkeit der Einwohner. Das beginnt im Flugzeug der Ethiopian Airlines, geht weiter über die Butler im Hotel und endet bei den Verkäuferinnen im Supermarkt. Ein strahlendes Lächeln, ein obligatorisches „Wie geht’s, alles gut?“, zum Drüberstreuen auch noch eine herzliche Umarmung. Eine Nahbarkeit, an die man sich als Europäer gerne gewöhnt.

Fast unfassbar mutet die landschaftliche Vielfalt Südafrikas an. Da gibt es glasklare Bergseen vor sattgrünen Wäldern, steinige Gebirgspässe, kilometerlange weiße Sandstrände und steil abfallende Küsten – alles zu sehen bei einer Tagestour rund um die Kaphalbinsel zum Kap der Guten Hoffnung. Letzteres ist übrigens der enttäuschendste Teil der Tour – Dutzende Touristen drängen sich mit Selfie-Sticks bewaffnet ihren Weg frei zu einer etwas deplatziert wirkenden Tafel mit ten im Nirgendwo. Man muss Menschenansammlungen schon sehr gerne mögen, um sich hier ein Erinnerungsfoto zu erkämpfen. Viel spannender ist die Landschaft ringsum, zu sehen etwa von dem markanten Leuchtturm über dem vorzüglichen Fischlokal „Two Oceans Restaurant“ aus. Wer genau hinsieht, kann da, wo sich Atlantik und Indischer Ozean treffen, Wale und Delfine im Meer entdecken.

Das Kap der Guten Hoffnung
Das Kap der Guten Hoffnung © Sarah Ruckhofer

Näher kommt man den Meeressäugern bei einer Bootstour, die etwa in der Hafenstadt Hermanus angeboten wird. Von Juli bis Dezember ziehen die Südlichen Glattwale hier ihren Nachwuchs in den verhältnismäßig warmen Gewässern auf, ehe sie zur Nahrungsaufnahme in die Antarktis zurückkehren. Für Tierfreunde ein Muss ist auch die Tour zu den „Robben-Felsen“ in Hout Bay: Nur wenige Meter von den Booten entfernt aalen sich Hunderte Robben auf einer Felsformation mitten im Meer. Und wenn man schon in der Gegend ist: Fotomotiv Nummer eins auf der Kaphalbinsel ist der Boulders Beach nahe Simon’s Town. Sicherlich wegen seiner runden Granitfelsen auf weißem Sand, die an die Karibik erinnern. Hauptsächlich aber wegen der hier lebenden, herzigen Pinguinkolonie.

Die florale Vielfalt des Kontinents spiegelt sich im botanischen Garten Kirstenbosch wider, der jährlich über eine Million Besucher anlockt. Jetzt, im afrikanischen Frühling, präsentiert sich das weitläufige Gelände am Fuße des Tafelbergs als blühendes Meer. Apropos Tafelberg: Mit der Bahn geht es bis auf 1087 Meter Seehöhe. Von hier genießt man einen unglaublichen Blick auf die Stadt, die man trotz Vogelperspektive nicht fassen kann. Nur erleben.