Besucht man das ehemalige schmucke Wohn- und Arbeitshaus des 1872 in Laibach geborenen Meisters der Architektur, so zieht einen diese heimelige, intim anmutende Atmosphäre sofort in den Bann. Man fühlt sich ihm nahe, so als könnte er jeden Moment leibhaftig durch die Haustür kommen. Die ausgeklügelte Einrichtung, teils aus eigener Hand – Joze Plecnik studierte in seinen jungen Jahren Möbeldesign in Graz –, und seine persönlichen Gegenstände wie Hut, Brille oder Schuhe scheinen bis heute auf ihn zu warten. Wie auch sein viel zu kurz geratenes Bett.

Ein peinlicher Messfehler des Profis von stattlicher Körpergröße? Von wegen: knallhartes Kalkül! Der berühmteste und wohl auch kritischste Schüler Otto Wagners überlistete sich mit seiner ungemütlichen Schlafstätte selbst. Unproduktive Traumstunden wichen auf diese Weise wertvoller Arbeitszeit. Nichts sollte den Workaholic in seiner Mission als Architekt bremsen.

Das Geburtshaus von Joze Plecnik in Laibach
Das Geburtshaus von Joze Plecnik in Laibach © Miran Kambic

Mit seinem umfassenden Opus wirkte der Bahnbrecher der europäischen Moderne gleich in drei mitteleuropäischen Metropolen. Eine Reihe von Pionierwerken, wie etwa das Zacherlhaus, sind bis heute in Wien zu bewundern. In Prag führte er unter anderem das prestigeträchtige Monsterprojekt der Umgestaltung der Prager Burg aus.

Ab Mitte der 1920er-Jahre betraute man den großen Sohn der Stadt schließlich mit der gewaltigen Aufgabe, Laibach ein neues architektonisches Gesicht zu verleihen. Das Ergebnis von gut dreißig Jahren ambitionierter Arbeit ist auf Schritt und Tritt in der mediterran quirligen Metropole augenscheinlich.

Blick auf die Markthallen
Blick auf die Markthallen © Miran Kambic

Mit dem Besuch der imposanten Markthallen, um Fisch, Brot und Co. zu kaufen oder genüsslich ein Glas Sekt zu trinken, wandelt man bereits auf großen Spuren des visionären und zugleich geschichtsaffinen Architekten. Wie an vielen Werken Plecniks stechen auch hier die Säulen wie ein Markenzeichen hervor.

„Ist es Säulenverliebtheit?“, mag sich der Laie fragen. Der große Meister entwickelte seinen unverkennbaren Stil auch aus dem intensiven Studium der Antike. Für Laibach hatte er die Vision eines neuen Athens vor Augen. Säulen, Pyramiden, Obelisken und Ballustraden hie und da zeugen davon. „Plecnik versuchte eine einfache Formensprache zu verwenden, damit jeder Mensch seine Botschaften verstehen kann. Dabei war er ein sehr kreativer Querdenker und verblüffte konsequent mit außergewöhnlichen Lösungen“, erklärt Andrej Hrausky, Architekt und (Co-) Autor vieler Plecnik-Bücher.

Das Stauwehr am Fluss Ljubljanica
Das Stauwehr am Fluss Ljubljanica © Mediaspeed/Anže Krže

Den Fluss Ljubljanica, einst ungeliebtes „Abfalldepot“ inmitten der Stadt, stilisierte der Planer zur pulsierenden Hauptschlagader der Metropole. Wie wunderbar lässt sich heute eine Bootsfahrt zwischen der von ihm gestalteten Deichschleuse mit monumentaler Siegessäule und der Uferpromenade Trnovski pristan mit ihren großen, zum Fluss absteigenden Steintreppen genießen.

Ein besonderer Coup gelang dem innovativen Geist mit der im Herzen der Stadt gelegenen dreigeteilten Brücke Tromostovje. Hier setzte er der mittleren Brücke von 1842 rund 90 Jahre später einfach zwei seitliche für Fußgänger dazu – im Sinne einer nachhaltigen Verkehrsordnung.

Die dreigeteilte Brücke Tromostovje
Die dreigeteilte Brücke Tromostovje © Nea Culpa/Aljaž Sedovšek

Große Ehrfurcht lässt der Besuch der prachtvollen National- und Universitätsbibliothek mit ihrem atemberaubenden Lesesaal aufkommen. Sein formvollendeter, wichtigster Bau Sloweniens scheint alles Talent des Meisters in sich zu vereinigen. Mit Symbolik und Mythologie krönt er sein Werk. Die Fenster sehen aus wie geöffnete Bücher, der Kopf des Pegasus lädt den Besucher in die Welt des Wissens. Und im Plecnik-Café im Keller lässt es sich bei einer Tasse Tee wunderbar über das große Werk sinnieren.

Der Lesesaal der National- und Universitätsbibliothek
Der Lesesaal der National- und Universitätsbibliothek © Nea Culpa/Aljaž Sedovšek

Die tiefe Religiosität des Architekten findet ihren Ausdruck an sakralen Stätten Laibachs, die schon eher in die Kategorie Geheimtipp fallen: Stellt man sich mit einem der Mönche des Franziskanerklosters im Arbeitervorort Siska gut, so eröffnet sich einem die geniale Kirche zum Heiligen Franziskus mit eigenwillig quadratischem Kirchenschiff, wunderschönen Kronleuchtern und einer Säule mit dem ewigen Licht.

Ein Quell steter Faszination ist die auf 350 Pfählen erbaute St. Michaelskirche im „Laibacher Moor“ südlich der Stadt. Nicht nur die mit griechischen Säulenelementen gespickte Freitreppe überwältigt. Im zauberhaften Inneren offenbart sich wahre sakrale Heimeligkeit: warmes, knarrendes Holz, eine Fülle an dekorativen Details, von byzantinisch, volkstümlich slawisch bis zur Orientierung an japanischen Tempeln.

Die Totenkapellen auf dem Friedhof Zale
Die Totenkapellen auf dem Friedhof Zale © Miran Kambic

Weniger wohlig, aber höchst beeindruckend, präsentieren sich die einzigartigen Totenkapellen auf dem Friedhof Zale. Hinter den vielen Baustilen und Symbolen verschiedenster Religionen steckt wie bei Plecnik immer eine große Botschaft: Im Tode sind wir alle gleich.

Und im Leben? „Joze Plecnik war ein außergewöhnlicher Mensch. Seiner Genialität und seinem großen Fleiß haben wir unheimlich viel zu verdanken“, meint Guide Mateja, die mit Freuden Gäste auf den Spuren des großen Meisters führt. Genial und fleißig? Vielleicht ist es an der Zeit, über die Maße des eigenen Bettes nachzudenken.

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