Nur wo du zu Fuß warst, bist du wirklich gewesen.“ Dieser Feststellung des Fußgängers Johann Wolfgang von Goethe kann man nicht widersprechen. Denn: Näher kommt man einer Landschaft nicht, als wenn man sie sich mit eigener Beinkraft erkämpft, sich die naturschönen, aber auch die kargen, wilden Seiten ergeht. Das gilt ganz besonders für die kroatische, gebirgige Insel Cres im Norden der Kvarner-Bucht. Wer nur die Hauptstadt oder den hinreißend abgeschiedenen Ferienort Valun auf dem Weg nach Mali Losinj besucht, der war nie wirklich hier.

Die Wanderführer Walter Fletzer und Andreas Hummer haben sich die aussichtsreiche Insel erobert. Jeden noch so steinigen Anstieg, jeden noch so wundersam verworrenen Baum und jede noch so kleine Siedlung zwischen den Orten Beli, Ivanje oder Sveti Petar - Namen, die klingen, als wären sie eine Erfindung für ein Märchen. Seitdem bieten die beiden Erkunder Wanderreisen von Norden nach Süden an und bringen Zu-Fuß-Reisende auch dorthin, wo es keine ausgeschilderten Wanderwege gibt. Rund 125 Kilometer dauert das Open-Air-Entschleunigungsprogramm von Porozina im Naturschutzgebiet Tramuntana bis nach Osor, dem am letzten Tag noch das Erklimmen des Gipfels des Televrin mitsamt 360-Grad-Weitwinkel-Panorama in Losinj folgt.

Es ist, als entdeckte man die Langsamkeit neu, wenn man sich die felsigen Wege erkämpft, auf den moosigen Böden scheinbar schwebt, sich an den Steinmauern orientiert, durch blühende giftige Wolfsmilch wandert und auf einer Anhöhe von einer der letzten frei lebenden europäischen Kolonien Gänsegeier umkreist wird.
Im April, lange bevor die vielen Touristen einfallen, ist der Ausblick aufs Meer noch ungetrübt. Nur wenige Fischerboote schippern über das Meer, nur wenige Wirtshäuser haben offen. Jeden Abend der Fußreise, die von wildem Salbei, Lorbeer, Thymian sowie Granat-, Gallapfel- und Olivenbäumen begleitet wird, kommt man wie die Meereshackler wieder an der Küste an.

Auf dem Weg querfeldein begegnet man deutlich mehr Schafen als Menschen. Kein Wunder, die zotteligen Tiere leben hier 365 Tage im Jahr draußen. Sie schauen nicht selten verdutzt, wenn man ihre Wege kreuzt. Und manchmal wird man auch Zeugin davon, dass sich ein Tier leichtfüßig über eine Mauer hinwegsetzt und dabei ein paar Steine lockert.

Über die Geschichte der Schafe auf der Insel, deren Wolle gerade wieder eine kleine Renaissance feiert, wird man im Schafmuseum hoch oben in Lubenice informiert, während man weit hinunter Richtung Meer blickt.

Einer der hübschesten, unbekanntesten Orte ist Beli, das auf den ersten Blick wie eine Miniversion von Piran hoch oben thront und über alte Römerstraßen zu erreichen ist. Oben regiert in der Abendsonne die Ruhe. Wenn man steil hinunter an die Küste steigt, holt einen das Urlaubsgefühl vor geschlossenen Gasthäusern, umgekippten Booten und dem leeren Campingplatz am kugelrunden Kiesstrand aber sofort wieder ein - das meditative Rauschen des Meeres hilft dabei.

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