Der Donauwalzer. Wie könnte man die Ankunft an dem Ort, an dem die Donau in das Schwarze Meer mündet, akustisch besser untermalen? Zu den Klängen der inoffiziellen Wiener Hymne wiegen sich die Passagiere auf dem Sonnendeck im Dreivierteltakt, die Stewards kredenzen Krimsekt, während Kapitän Csaba Istudvan das Heck seiner MS Nestroy ins Meer steuert. Die hohe See kann ein Flusskreuzfahrtschiff wegen des Wellenganges nämlich nicht befahren.

„Für viele Gäste ist die Donaukreuzfahrt eine Sehnsuchtsreise“, sagt Kreuzfahrtdirektor Niki Nikolaus. Immerhin fließen 97 Prozent der Flüsse in Österreich in den zweitlängsten Strom Europas. „Wer von uns ist nicht schon am Inn oder an der Traisen gesessen und hat sich gedacht: Wie sieht's wohl dort aus, wo die Donau ins Schwarze Meer fließt?“

Um dorthin zu gelangen, hat das 125 Meter lange Schiff, das sein österreichischer Eigner gerade in einer holländischen Werft auf modernsten Stand bringen ließ, eine eindrucksvolle Naturlandschaft durchkreuzt.

„Gott sei Dank konnte Diktator Nicolae Ceausescu seinen Plan, das Donaudelta urbar zu machen, nicht realisieren“, kommentiert der Kreuzfahrtdirektor. Da fiel der Eiserne Vorhang gerade noch zur rechten Zeit: In dem Biosphärenreservat konnten bisher etwa 5200 Tier- und Pflanzenarten katalogisiert werden. Pelikane sind das Wahrzeichen des Deltas, die größte Kolonie Europas hat sich dort niedergelassen. Auch der große Kormoran hat dort seine Heimat. Die riesigen Seerosenfelder sind eine Sensation und die Fischfauna ist einzigartig. Es gibt viele Arten, die nur in diesem Flusssystem vorkommen: Steingressling, Schrätzer, Zingel oder der Streber.

Der Fischfang ist die Lebensader der wenigen verbliebenen Bewohner. Statistisch gesehen gibt es 3,5 pro Quadratkilometer. Das wahre Abenteuer für die Passagiere der MS Nestroy beginnt in der ukrainischen Stadt Wylkowe, die als Wurzel des Donaudeltas gilt. Wenn das Schiff dort anlegt, warten schon Schulmädchen in traditionsreicher Tracht auf die Passagiere, um sie mit Tänzen und Gesängen zu begrüßen. Die Lehrerin versichert, dass Münzen und Süßigkeiten, die die Kreuzfahrtgäste für die Darbietungen springen lassen, später gerecht unter allen Mädchen aufgeteilt werden.

Für die Fahrt durch die naturbelassenen Arme des Deltas steigen die Gäste in kleinere Boote um, aber es hält sie nicht auf den Plätzen. Dieses gewaltige Naturschauspiel will fotografisch festgehalten werden. Zwischen den Wasserarmen wechseln Festland und Teiche einander ab. Endlose Nehrungen, Kanäle und flache, von Eichenwäldern belebte Landschaften ziehen die Aufmerksamkeit auf sich. Wilde Pferde und Rinder erinnern wiederum an die kommunistischen Pläne, aus dem Delta eine riesige Agrarlandschaft zu machen.

Trotz des von der Unesco 1993 ausgesprochenen Schutzes ist das Donaudelta nach wie vor gefährdet. Vieles wird der touristischen Erschließung dieses ökologischen Wunderwerks geopfert. Tragflügel- und Motorboote durchpflügen die Flussarme und stören damit das Brutverhalten der einzigartigen Vogelwelt. Gegen die Moskitos werden großräumig Pestizide eingesetzt und das vorherrschende Schilf wird industriell genutzt. Nicht umsonst war der Aufschrei groß, als die Ukraine begann, mitten durch das Delta den Bystroye-Kanal zu bauen.

Aber natürlich gibt es auch noch die Idylle im Delta. Wie etwa im naturbelassenen Caraorman (auf Deutsch: schwarzer Wald), einem drei Kilometer langen Straßendorf mit Plumpsklos und einem Mini-Market, der Bier und Früchtetee ausschenkt. Die Strommasten am Straßenrand sind fest in den Krallen der Störche, die darauf ihre Nester gebaut haben.

Der Reichtum der Vegetation des geschützten Waldes, der dem auf einer Sandbank liegenden Ort seinen Namen gibt, bildet einen so dichten Schatten, dass es an einigen Stellen auch tagsüber stockfinster ist. Die Autos, die über die staubigen Wege fahren, haben keine Kennzeichen. Wozu auch? Der Ort hat bis heute keine Anbindung an das rumänische Straßennetz.

Kapitän Istudvan könnte das wohl verschmerzen. Für den Ungarn aus Szombathely ist die Schifffahrt ein Kindheitstraum. 2001 hat er die Prüfung als Steuermann abgelegt und heuerte auf einem kleineren Schiff an. 2007 war er Lotse und im Jahr darauf hat er erstmals ein Schiff und die Verantwortung dafür übernommen. Jetzt hat er die obere Grenze erreicht: Mit ihren 125 Metern Länge passt die Nestroy gerade noch in die Schleusen, die sie auf dem Weg zum Schwarzen Meer passieren muss. „Natürlich bin ich stolz auf mein Schiff. Es gibt einen Wettkampf unter den Kapitänen: Wer hat das schönste?“  Na, wer wohl?

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