Schon sitzt man mitten in einem Campiello in Venedig und kann durch die Virtual Reality Brille mit Casanovas Augen den 360-Grad-Rundblick über den malerischen kleinen Platz genießen. Sogleich nähert sich eine strahlende junge Dame mit prächtigen Rokoko-Locken gefühlt bis an die Lippen, doch ehe man die 3D-Erscheinung küssen möchte, huscht sie davon. Verdutzt bleibt man zurück, nur um sogleich von der nächsten galanten Verehrerin in einen rauschenden Ballsaal entführt zu werden. Die digital perfekt inszenierte Animation erfüllt alle herzensbrecherischen Klischees um den Größten aller Verführer. Bis zur bitteren Neige. Die virtuelle Florettspitze an der Brust, von Schergen den Armen der Geliebten entrissen, abgeführt zur Haft in die unentrinnbaren Bleikammern des Dogenpalastes. Wie das diesmal für Giacomo Casanova ausgeht, wird hier nicht verraten.

220 Jahre nach seinem Tod setzt man in Venedig der in Film und Literatur verewigten Kultfigur der verwegenen Verführung ein Denkmal mit dem "Casanova Museum & Experience". "Es ist eine kulturelle Hommage an den berühmten Venezianer. Wir wollen sein Leben und Werk mit moderner Technologie übersetzen", erklärt der Gründer der Fondazione Giacomo Casanova, Carlo Parodi, der schon länger einen nach Casanova benannten Prosecco erzeugt und vertreibt. Das Museum auf einem Stockwerk inmitten von Kanälchen im Viertel Cannaregio ist überschaubar, aber prickelnd. Gleich neben dem Virtual-Reality-Kino sinkt eine Angeschmachtete auch im Schattenspiel nach kokettem Zögern in Casanovas zerwühltes Bett.

Zumindest eine Handschrift weist auf Casanovas literarisches Werk hin, das ihn weit mehr beschäftigt haben soll als alle seine Flirts, so behauptet es die Wiener Schauspielerin Elisabeth-Joe Harriet, Nachfahrin des Bruders Giovanni Casanova. Wie sie ihren Fünffach-Uronkel im Museum getroffen sieht? "Sehr gut und klug. Nähme man ihm den Nimbus des falsch interpretierten Schürzenjägers und ließe das Abenteurertum und die Frauen aus, würden die Menschen nicht kommen. Es war Teil seines Lebens und das Museum dient auch, ihn in seinen viel wichtigeren und wahrhaftigen Facetten zu zeigen."

Die Flucht aus den Bleikammern

Tatsächlich war der 1725 in Venedig geborene Casanova ein hoch gebildeter, viel gereister Europäer seiner Zeit, was auch häufigen Fluchten als Enthüllter geschuldet war. In der Kindheit kränklich, doch schon mit 17 Jahren Doktor des weltlichen und kanonischen Rechts an der Uni Padua. Priesterwürden entfloh er mit vorgetäuschtem Ohnmachtssturz aus der Kanzel. Freimaurer und päpstlicher Cavaliere zugleich, Literat und verschwenderischer Hochstapler, saß er 15 Monate in den Bleikammern in Haft. Am spektakulären Ausbruch feilte er in seinem Hauptwerk "Geschichte meiner Flucht" noch bis zu seinem Tod auf Schloss Dux in Böhmen. Museumsdirektor Andrea Cosentino interessiert sich besonders für Casanova in Prag, wo er Mozart und Lorenzo Da Ponte getroffen und versucht haben soll, am Operntext von Don Giovanni mitzuschreiben.

Casanova Museum & Experience

Zu finden in der Calle de la Racheta 3764, im 2. Stockwerk des Palazzo Papafava im Viertel Cannaregio in Venedig.
Ca. 15 Gehminuten von Rialto. Täglich 10–22 Uhr geöffnet.
Tickets und Info:
www.casanovamuseum.com