Wie umfangreich und detailliert muss ein Hersteller auf einem Produkt vor nicht bestimmungsgemäßen und dadurch gefährlichen Verwendungen dieses Produkts warnen? Mit dieser Frage musste sich unlängst der Oberste Gerichtshof auseinandersetzen. Konkret ging es um einen Unfall mit einer neu erworbenen Stehleiter, die der Kläger als Auf- und Abstiegshilfe bei einem Baugerüst verwendete. Beim fünften oder sechsten Auf und Ab zwischen Leiter und Gerüst kippte ihm die Stehleiter seitlich weg, dabei knickte auch ein Teil der Leiter. Der Kläger kam zu Sturz und verletzte sich. Dafür verlangte er vom Hersteller auf dem Gerichtsweg 5000 Euro Schmerzensgeld, weil auf der Leiter seiner Ansicht nach nicht klar genug ausgeschildert gewesen sei, dass man sie nicht zum Übersteigen auf eine andere Ebene benutzen sollte.

Hinweise missachtet

Tatsächlich war der Leiter beim Kauf eine Benutzerinformation beigefügt, in der ausdrücklich stand: „Stehleitern nicht zum Aufsteigen auf eine andere Ebene benutzen.“ Zusätzlich gab es 27 vereinfachte grafische Darstellungen bzw. Piktogramme. Eines davon verbot das Übersteigen von der Leiter auf eine andere Trittfläche. Der Kläger beachtete beim Aufstellen der Leiter aber weder die Piktogramme, noch las er die Benutzerinformation. Vor Gericht warf der Kläger dem Hersteller der Leiter vor, das gegenständliche Piktogramm sei keinesfalls allgemein verständlich, weil dort nur eine normale Stehleiter und keine Stehleiter mit Podest, wie er sie erworben habe, abgebildet sei.

Klage abgewiesen: Was lernen wir daraus?

Der Oberste Gerichtshof folgte in seiner Entscheidung jetzt den Vorinstanzen und wies das Klagebegehren endgültig ab. Was sagt das nun über die Grenzen der Produkthaftung in Österreich aus? Wir haben den Klagenfurter Rechtsanwalt Bernd Peck um seine Expertise gebeten. Er sagt: „Der gegenständliche Fall zeigt, dass in Österreich noch keine ,amerikanischen Verhältnisse‘ in Bezug auf die Schadenersatzhaftung herrschen.“ Der Kläger habe argumentiert, dass das Knicken des Leiterholmes einen Konstruktionsfehler beweise. Außerdem werde nicht vor dem seitlichen Übersteigen gewarnt und die Piktogramme wären nicht verständlich und klar, weil nur eine normale Stehleiter und keine Stehleiter mit Podest abgebildet werde. „Die Gerichte haben gegen den Kläger entschieden, weil er entsprechende Erläuterungen in der Benutzerinformation nicht beachtet hatte. Da die Piktogramme vor einem Übersteigen allgemein warnten, war die Instruktion im Anlassfall ausreichend.“ Nach dem durchgeführten Beweisverfahren habe festgestanden, dass das Einknicken des Leiterholms die Folge des mit dem Übersteigen auf die Leiter ausgeübten seitlichen Drucks war. „Dadurch verwirklichte sich gerade jenes Risiko, dem das Verbot entgegenwirken sollte“, sagt Peck in aller Deutlichkeit.

Produkthaftung im Gesetz

Grundsätzlich handelt es sich bei der Produkthaftung um die gesetzlich angeordnete, zwingende, verschuldensunabhängige Haftung des Herstellers gegenüber jedermann für die Gefährlichkeit einer erzeugten Sache. „Es geht dabei um Schäden an absolut geschützten Gütern wie Leben, Gesundheit und Eigentum“, ergänzt Peck. Geregelt wird das alles im Produkthaftungsgesetz. Da es sich, wie Peck betont, um eine Gefährdungshaftung handelt, haftet der Produzent oder der Importeur verschuldensunabhängig für den verursachten Schaden.
Es gebe aber auch Einschränkungen: „Reine Vermögensschäden und Sachschäden, welche 500 Euro nicht übersteigen, werden nicht ersetzt. Auch Dienstleistungen und Liegenschaften sind vom Produkthaftungsgesetz nicht erfasst – das gilt auch für rein private Erzeuger“, sagt der Anwalt.

Eine mächtige Waffe

Bei Produktfehlern ist zwischen Konstruktionsfehlern, Produktionsfehlern und Instruktionsfehlern zu unterscheiden. Peck: „Um einen Konstruktionsfehler handelt es sich bei einem von vornherein fehlerhaft konzipierten bzw. gefährlichen Produkt.“ Unter Produktionsfehlern verstehe man Fertigungsfehler, durch die einzelne Stücke des Produkts mangelhaft gefertigt sind. Bei Instruktionsfehlern wiederum werde der Benützer nicht ausreichend über die richtige Handhabung und die daraus resultierende Gefährlichkeit des Produkts aufgeklärt, etwa in Gebrauchsanweisungen. „Das Produkthaftungsgesetz ist für Geschädigte eine mächtige Waffe gegen Hersteller“, sagt Peck.

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