Bis zum Obersten Gerichtshof focht ein Mann sein Scheidungsurteil an: Seine Frau habe ja bereits vor der Ehe gewusst, dass er dem Alkohol zugeneigt sei – sein beträchtlicher Alkoholkonsum könne ihm daher nicht als Scheidungsgrund angelastet werden. Der OGH entschied anders. "Und diese Entscheidung hat weitreichende Auswirkungen", betont der Scheidungsanwalt Clemens Gärner, von der Rechtsanwaltskanzlei "Gärner Perl" in Wien.

Auswirkungen auf Unterhaltszahlungen

„Egal ob man das Nörgeln des Partners nicht mehr aushält, Alkoholismus, Unordentlichkeit oder die Eifersucht – früher musste man beweisen, dass sich das Verhalten erst während der Ehe erstmals gezeigt hat. Nur dann galt es als Scheidungsgrund, und hatte daher Auswirkungen auf die Unterhaltszahlungen“, sagt Gärner. Jetzt könne auch ein vor der Ehe bekanntes Verhalten als Scheidungsgrund anerkannt werden, sofern es vom Ehepartner als "ehestörend" oder unzumutbar empfunden wird.

„Das bedeutet im Umkehrschluss, dass man auch langjährige Angewohnheiten anpassen muss, wenn der Partner dies verlangt. Wenn ich heirate, habe ich also weniger Rechtssicherheit, als bei einem Autokauf.“ Natürlich hat diese Anpassung Grenzen. Gärner: „Man kann etwa nicht durchsetzen, dass der andere gar nicht mehr trinken darf, nie Eifersucht zeigen oder nie seine Socken liegen lassen darf. Das wäre Schikane.“

Wieviel Alkoholkonsum oder anderes Verhalten wirklich zumutbar ist, entscheiden dann im Einzelfall die Gerichte. „In der letzten Konsequenz schreiben also die Gerichte vor, wie wir uns in der Ehe zu verhalten haben. Sie werden zur moralischen Instanz, die im intimsten Lebensbereich mitzureden hat“, sagt Gärner. „Das ist problematisch und es ist wichtig, dass das allen bewusst ist, ehe sie den Schritt zur Ehe setzen.“

Wenn Dritte in die Ehe eingreifen

Zudem zeige sich, wie Gärner betont, sehr deutlich, dass die Ehe ein Vertrag zwischen zwei Menschen ist, in den Dritte nachträglich eingreifen können – mit teils signifikanten finanziellen Auswirkungen auf die betroffenen Menschen. "Denn diese Rechtsprechung des OGH, an der sich in Zukunft die Erstgerichte bei Scheidungsurteilen orientieren werden, bezieht sich natürlich auch auf bereits bestehende Ehen."