1. Stimmt es, dass ich alle Äste, die vom Nachbarn über den Zaun zu mir herüberwachsen, auf meine Kosten schneiden lassen muss, wenn sie mich stören?

ANTWORT: Prinzipiell ja. „Gemäß Paragraf 422 des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches (ABGB) kann jeder Eigentümer die in seinem Luftraum hängenden Äste eines fremden Baumes oder Strauches abschneiden oder sonst benützen“, sagt der Rechtsanwalt Wolfgang Reinisch. Man habe dabei aber fachgerecht vorzugehen und die Pflanze möglichst zu schonen. „Die Kosten für die Entfernung hat der beeinträchtigte Grundeigentümer selbst zu tragen.“ Wenn durch die Wurzeln oder Äste ein Schaden entstanden ist oder offenbar droht, habe der Eigentümer des Baumes oder der Pflanze die Hälfte der notwendigen Kosten zu ersetzen. Dasselbe gelte auch für Wurzeln.

Wolfgang Reinisch ist Rechtsanwalt in Leibnitz und Experte für Nachbarschaftsrecht
Wolfgang Reinisch ist Rechtsanwalt in Leibnitz und Experte für Nachbarschaftsrecht © (c) Sissi Furgler Fotografie

2. An unser Grundstück grenzt ein Wald, von dem immer mehr Äste in unser Grundstück hineinragen, gilt da dasselbe Recht zur Selbsthilfe?

ANTWORT: Die in der ersten Antwort erwähnte Regelung des ABGB wird dann, wenn sich auf dem Nachbargrundstück ein Wald im Sinne des Forstgesetzes befindet, durch Paragraf 14 des Forstgesetzes eingeschränkt. „Demnach ist die Beseitigung der überragenden Äste dann unzulässig, wenn dies den nachbarlichen Wald einer offenbaren Gefährdung durch Wind oder Sonnenbrand aussetzen würde, was nur durch einen Sachverständigen aus dem Fachgebiet der Forstwirtschaft beurteilt werden kann“, erklärt der Jurist. Trifft dies zu, müsse das Überhängen der Äste geduldet werden. „Wenn es dadurch zu vermögensrechtlichen Nachteilen kommt, besteht gegenüber dem Waldeigentümer ein Anspruch auf angemessene Entschädigung.“

3. Was kann ich tun, wenn ein Baum aus dem angrenzenden Wald umsturzgefährdet wirkt und ich Angst habe, dass er bei einem Unwetter auf mein Haus fällt? Welche Pflicht hat der Waldbesitzer in diesem Fall?

ANTWORT: Wenn von den Bäumen an der Grundgrenze tatsächlich eine nachweisbare Gefährdung von Leib und Leben oder des eigenen Hauses ausgeht, ist, so die Rechtsmeinung von Wolfgang Reinisch, ein Anspruch auf Fällung dieser Bäume durchsetzbar. Dazu müsste allerdings von einem Sachverständigen die unmittelbar drohende tatsächliche Gefahr bestätigt werden.

4. Die Hecke unseres Nachbarn ist an unserer Grundstücksgrenze schon drei Meter hoch. Gibt es irgendein Gesetz, das ihn daran hindern könnte, sie noch höher wachsen zu lassen?

ANTWORT: Die allgemeine gesetzlichen Grundlage ist das ABGB. In diesem finden sich, wie Reinisch betont, keine Vorschriften zur Höhe einer Hecke. Gemäß ABGB könne ein Grundstückseigentümer aber einem Nachbarn die von dessen Pflanzen ausgehenden Einwirkungen (Stichwort Schatten) untersagen, wenn diese das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschreiten und zu einer unzumutbaren Beeinträchtigung der Benutzung des eigenen Grundstückes führen. „Es ist kaum vorstellbar, dass – außer in äußerst kleinen Gärten – durch eine Hecke in einer Höhe von drei Metern Beeinträchtigungen hervorgerufen werden, die zu einer Anwendbarkeit der oben zitierten Gesetzesbestimmung führen“, fügt der Jurist hinzu und kann nur dazu raten, weiter an die Einsicht des Nachbarn zu appellieren.

5. Die Bäume unseres Nachbarn stehen zwar nicht an der Grundstücksgrenze, aber sie nehmen uns auf der Terrasse das ganze Sonnenlicht. Das beeinträchtigt unsere Lebensqualität. Müssen wir damit leben?

ANTWORT: „Gemäß ABGB (Paragraf 364 Absatz 2) kann der Eigentümer eines Grundstückes dem Nachbarn die von dessen Grund ausgehenden Einwirkungen betreffend Licht oder Luft nur insoweit untersagen, als sie das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschreiten und die ortsübliche Benutzung des Grundstückes wesentlich beeinträchtigen“, argumentiert Reinisch wie in Frage 4. Was das ortsübliche Maß ist, kann freilich immer nur für den Einzelfall festgestellt werden.

6. Das Laub und die Nadeln von den Bäumen des Nachbarn verstopfen ständig meine Dachrinne. Das ist eine große Belastung für mich. Was kann ich tun?

ANTWORT: Auch hier besteht laut Reinisch ein Untersagungsrecht nur dann, wenn die davon ausgehenden Einflüsse das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Ausmaß übersteigen und gleichzeitig die ortsübliche Benutzung der Nachbarliegenschaft wesentlich beeinträchtigen. Dabei ist nicht vom subjektiven Empfinden des sich gestört fühlenden Nachbarn, sondern von dem eines Durchschnittsmenschen in vergleichbarer Lage auszugehen. „Eine gelegentliche Reinigung der eigenen Dachrinne von Laub und Nadeln eines Baumes des Nachbarn ist nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes grundsätzlich jedenfalls zumutbar“, betont Reinisch.