Die Mutter unseres Lesers hatte eine kleine Landwirtschaft, die sie nicht mehr selbst bearbeiten konnte. Sie ließ 15 Jahre lang unentgeltlich die Kühe des Nachbarn auf ihrer Wiese weiden. „Das wurde jedes Jahr von Neuem mündlich so vereinbart, über einen längeren Zeitraum wurde dabei nie gesprochen“, sagt der Sohn. Nach dem Tod seiner Mutter fragt er sich als Erbe nun: Hat sich der Nachbar ein Recht auf diese Wiese sozusagen ersessen?

Die Analyse

Der Leibnitzer Rechtsanwalt Wolfgang Reinisch sagt dazu: „Geht man davon aus, dass nach übereinstimmender Ansicht beider Beteiligten jedes Jahr mündlich und unentgeltlich die Nutzung des Grundstückes für ein weiteres Jahr vereinbart wurde, ist wohl vom Vorliegen einer sogenannten Bittleihe auszugehen, aus der beide Teile keine rechtlich verbindlichen Forderungen ableiten können. Diese Bittleihe könnte jederzeit widerrufen werden.“  Auch dann, wenn man die zwischen den Nachbarn getroffene Vereinbarung als Pachtvertrag qualifizieren würde, wären, so Reinisch, solche Pachtverträge jeweils nur für die Dauer eines Jahres abgeschlossen und jeweils jährlich neu verlängert worden. Ein derartiges Pachtverhältnis würde daher jeweils mit dem Ende eines jeden Pachtjahres auslaufen, wenn es nicht im nächsten Jahr ausdrücklich durch entsprechende mündliche oder schriftliche Vereinbarung verlängert wird. Die Ersitzung eines Weiderechtes als Servitut wäre bei diesem Sachverhalt ausgeschlossen.

MEHR ZUM THEMA
Servitute dürfen nicht eingeschränkt werden
Wer für einen Servitusweg zahlt
Servitute in Verträgen