Der Klimawandel ist ein alter Hut. Nichts Neues. Seit es die Erde gibt, ist ihre Atmosphäre in fortwährender Veränderung. Immer schon haben sich Kalt- und Warmzeiten abgewechselt, immer schon gab es ansteigende Meeresspiegel und abschmelzende Eisflächen, Dürreperioden und Überschwemmungen, Wirbelstürme und Verwüstungen. Warum sich also Sorgen machen?

So kann man es sehen. Und einen wesentlichen Faktor übersehen: dass die aktuellen Klimaveränderungen nämlich nicht nur außerordentlich rasch vonstattengehen, sondern dass sie „zum überwiegenden Teil vom Menschen selbst verursacht sind und so viele Menschen wie noch nie betreffen“, wie die beiden Grazer Geografen Gerhard Karl Lieb und Andreas Kellerer-Pirklbauer in einer Analyse schlussfolgern. Deshalb sollte man sich durchaus Sorgen machen.

Schürf- und Stichwunden

Denn die Erde ist krank. Sie hat Fieber. Ihr Puls ist beschleunigt, ihr Blut in Gestalt ihres Wasserkreislaufes zirkuliert schneller. Auslöser sind die Menschen, die den gesamten Patienten in Besitz genommen haben und ihm laufend Brand-, Schürf- und Stichwunden zufügen. Ihn aussaugen, aufkratzen und abfressen. Zubetonieren, niederholzen und aufstauen. Verschmutzen, vergiften und auf vielfältige Art und Weise vor die Hunde gehen lassen.

Das mag radikal und fatalistisch, jedenfalls besorgniserregend klingen. Soll es auch.

Mit Alarmrufen wie diesem sorgt ein 16-jähriges Mädchen aus Schweden spätestens seit seinem Auftritt beim Weltwirtschaftsforum in Davos für Aufsehen.Greta Thunberg ist zu einer Ikone der globalen Klimaschutzbewegung geworden, zur Schutzpatronin für den kranken Planeten. Sie ist das junge, entschlossene Gesicht einer von (sehr) jungen Menschen getragenen Protestbewegung, die die Erwachsenen ziemlich alt aussehen lässt. Denn Thunberg bittet nicht. Die Schüler und Studenten mahnen nicht. Thunberg klagt an. Ihr Publikum fordert. „Wir können die Welt nicht retten, indem wir uns an die Spielregeln halten. Die Regeln müssen sich ändern, alles muss sich ändern, und zwar heute“, poltert Thunberg.

Frühe Warnungen

Die Zeit drängt. Wir wissen seit Jahrzehnten, dass etwas getan werden muss. Bereits 1975 wurde von Wissenschaftlern auf die Folgen eines zu hohen CO2-Ausstoßes hingewiesen. Schon 1990 hat der Weltklimarat einen alarmierenden Bericht veröffentlicht. 2006 warnte die Weltbank, dass uns – wenn es so weitergeht – die Erderwärmung und ihre Folgeschäden in den kommenden Dekaden ein Fünftel des weltweit erwirtschafteten Bruttoinlandprodukts kosten könnten. Es folgten UN-Gipfeltreffen und Klimakonferenzen, Abkommen- und Vertragsunterzeichnungen, Untergangsszenarien und Strafandrohungen in Serie – zuletzt 2015, als man beschloss, dass die Erderwärmung gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter um nicht mehr als 1,5 Grad zunehmen dürfe.

Aber lange, zu lange, wurde zugeschaut, weggeschaut, vertröstet und verdrängt. Nichtstun wurde zur Strategie. Als „perfektes Problem“ hat der austroamerikanische Klimaökonom Gernot Wagner den Klimawandel bezeichnet: Er kenne kein anderes, das so global, so langfristig, so ungewiss und so irreversibel ist. Tatsächlich betreffen die Auswirkungen des Klimawandels längst nicht nur die Atmosphäre, sondern auch die Hydrosphäre (Wasserkreislauf), die Pedosphäre (Böden), die Reliefsphäre (Geländeformen) und die Biosphäre (Pflanzen- und Tierwelt), so Lieb und Kellerer-Pirklbauer: Der Klimawandel beeinflusst Soziales, die Wirtschaft, die Infrastruktur, die Gesundheit und nicht zuletzt die Art, wie, wo und mit wem wir leben. Wenn es so weitergeht, wird es zu Migrationsströmen kommen, gegen die sich die Fluchtbewegungen der jüngsten Vergangenheit wie ein Schulwandertag ausmachen. Es werden nicht nur Flüchtlinge aus den Dürregebieten und Hungerherden Afrikas nach Europa drängen, sondern auch Menschen aus Ländern, deren Küsten unter Wasser stehen.

Keine Alternative

Das alles sind Aussichten, die es einem nicht leicht machen, sich mit der Zukunft zu versöhnen. Als „Träumerin, die die Welt verändert“, hat Arnold Schwarzenegger Greta Thunberg zuletzt bezeichnet. Wer weiß: Vielleicht können ihr Traum, die allgemeine Aufgeregtheit und der kollektive Aktionismus, die derzeit in Sachen Klimaschutz herrschen, tatsächlich zu einer Gesundung der Patientin Erde führen. Fix ist: Alternative gibt es keine.