Unter Beifall von Klimaschützern und skeptischen Blicken vieler Wirtschaftsvertreter hat EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen Mitte September verkündet, was sich bereits seit Monaten abgezeichnet hatte: Die EU will ihre Klimaziele für das Jahr 2030 deutlich nachschärfen. Denn die bisher geplanten CO2-Reduktionsmengen, so rechnen Experten seit Jahren vor, reichen nicht aus, um Europa auf den im Vorjahr beschlossenen Weg zur Klimaneutralität bis 2050 zu bringen.

Brüssel will also das Ruder herumreißen und die europäischen Treibhausgasemissionen bis 2030 statt um 40 um 55 Prozent absenken (verglichen mit 1990). Rund 23 Prozentpunkte hat die Union mit Stand 2018 bereits erreicht. Bedeutet also: Im laufenden Jahrzehnt müssen in Europa mehr Treibhausgase eingespart werden als insgesamt in den drei Jahrzehnten davor. Die Rede ist von knapp 1,6 Milliarden Tonnen CO2, die Europa im Jahr 2030 weniger emittieren muss als zuletzt.

Stimmen EU-Parlament und Rat diesem Plan zu, bedeutet das für die Staaten, dass sie ihre individuellen Klimaziele massiv verschärfen müssen. Österreich hatte sich in Brüssel bislang verpflichtet, seine Emissionen bis 2030 um 36 Prozent zu senken (verglichen mit dem Jahr 2005). Was die neuen Vorgaben für die Republik bedeuten, darüber hüllt sich die Regierung noch in Schweigen. Details seien in Brüssel erst auszuverhandeln, heißt es.

Hoher Preis für den Verkehrssektor

Die Kleine Zeitung hat dennoch nachgerechnet. Aus dem Begleitpapier der Kommission geht hervor, dass die neuen 2030-Ziele erreicht werden, wenn die im CO2-Zertifikatehandel erfasste Industrie ihre Emissionen um 63 Prozent senkt und die Staaten die verbleibende Emissionsmenge um 39 Prozent drücken (jeweils verglichen mit 2005). Geht man nun davon aus, dass die Lastenteilung zwischen den Staaten in etwa gleich bleibt, ergibt sich für Österreich ein ungefähres neues Reduktionsziel von minus 48 Prozent. Für den heutigen Stand bedeutet das: Statt um weitere 14 Millionen Tonnen CO2 müsste Österreich seine jährlichen Emissionen bis 2030 um mehr als 20 Millionen Tonnen, also fast auf die Hälfte des Wertes von 2005, senken.

Kann das gelingen? Im Verkehrssektor um einen hohen Preis, wenn es nach einer Studie geht, die der ÖAMTC bereits vorsorglich beauftragt hatte: Demnach müssten die Spritpreise massiv steigen, um die neuen Ziele zu erreichen. Österreichs Autofahrer würden bis 2030 in Summe mit bis zu 49 Milliarden Euro belastet (wir berichteten). Eine Rechnung, die für den Grazer Klimaökonomen Karl Steiniger jedoch zu kurz greift: „Was hier nicht berücksichtigt wird, ist, dass die Mehreinnahmen des Staates ja wieder umverteilt werden sollen. Auch die Effekte aus dem Ausbau des öffentlichen Verkehrs fehlen.“

Spritpreise werden anziehen müssen

Was Steiniger bestätigt: Die Spritpreise werden substanziell anziehen müssen, auch um den Tanktourismus abzustellen. Und bleibt die Bundesregierung dabei, Österreich schon 2040 klimaneutral machen zu wollen, müsste es bereits in der zweiten Hälfte des laufenden Jahrzehnts mit den Neuzulassungen von Autos mit Verbrennungsmotoren vorbei sein.

Auch andere Sektoren wie Gebäude oder Landwirtschaft müssen ihre Anstrengungen erhöhen. Zumal Österreich mit den bisher beschlossenen Maßnahmen nicht einmal sein altes Ziel von minus 36 Prozent erreichen werde, wie der Fiskalrat der Republik jüngst darlegte.

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