In ein saftiges Steak beißen, lustvoll an (zumindest optisch spektakulären) Weintrauben knabbern – und deshalb ein schlechtes Gewissen haben? Und das gar wegen Mittel- und Südamerika? Das wäre durchaus angebracht – auch für Konsumenten hierzulande –, besagt eine nun präsentierte Studie.

Ausgelagerte Umweltschäden

Für ein Forscherteam mit österreichischer Beteiligung gibt es keine Zweifel, wie im Fachmagazin "Nature Ecology and Evolution" erläutert wird: Die reichen Industrieländer in Europa und Nordamerika lagerten in jüngster Zeit – untersucht wurde der Zeitraum von 2000 bis 2011 – 90 Prozent jener Umweltschäden, die durch ihren Nahrungsmittelkonsum entstehen, in andere Weltregionen aus. Noch eindringlicher formuliert: Europas Ernährungsweise ruiniert die natürliche Lebenswelt in anderen Teilen des Planeten. Untersucht wurde von den Wissenschaftlern rund um Studienleiterin Alexandra Marques von der Universität Leiden (Niederlande), welche Auswirkungen die Land- und Forstwirtschaft hier wie dort auf Artenvielfalt bei Flora und Fauna sowie Ökosystem-Funktionen – Stichwort Speicherung von klimaschädlichem Kohlenstoff – hat. Das Ergebnis ist ernüchternd. Erstaunt es auch?

Der große Verlierer unserer Gewohnheiten war und ist der Artenreichtum in Süd- und Mittelamerika, bilanzieren Nina Eisenmenger (siehe Interview) und Karlheinz Erb vom Institut für soziale Ökologie der Universität für Bodenkultur in Wien: "Wir importieren ökologisch bedenkliche landwirtschaftliche Produkte tatsächlich aus dem Ausland, denken wir an Fleisch aus Argentinien, Weintrauben aus Chile oder Reis aus Asien. Das Steak auf unserem Teller mag in Österreich zu einem guten Teil aus unserer Viehzucht stammen, aber das Soja-Futter, mit dem das Rind gefüttert wurde, kommt zum Großteil aus Ländern des globalen Südens.



Hinzu kommt, dass in Südamerika, aber auch Asien vielfach tropische Regenwälder gerodet werden, um die Anbau- oder Weideflächen bereitzustellen. Diese Regenwald-Ökosysteme sind sehr produktiv, weisen hohe Artenvielfalt auf. Verluste dort haben daher relativ hohe Auswirkungen", erläutert Eisenmenger. Als wäre das noch nicht genug, wird die verbleibende Artenvielfalt durch Pestizid- und Düngereinsatz weiter belastet. Der ökologisch bedenkliche Hunger ist nicht nur in den Industrieländern groß, er wuchs mittlerweile auch in vielen Schwellenländern signifikant: "Im Pro-Kopf-Verbrauch haben diese Länder bereits nachgezogen, uns Industrieländer aber zumindest noch nicht überholt."



Was kann ein Europäer tun, um diese Fehlentwicklung zu bremsen bzw. zumindest nicht weiter zu fördern? "Achtsamkeit im Konsumverhalten! Das bedeutet, Nahrungsmittel regional und saisonal einzukaufen. Gleichzeitig und wahrscheinlich noch mehr aber müssen wir unseren Konsum so gestalten, dass wir unseren Durchsatz an Gütern reduzieren – sei es, indem das Wegwerfen von ungenutzten oder noch nutzbaren Gütern vermieden wird", spricht Eisenmenger die Berge von Lebensmittelabfällen an. "Daneben: Reparatur statt Neukauf! Die Summe der Änderungen im Konsumverhalten kann zu einer kritischen Masse führen, die ihrerseits Druck auf die Produzenten ausübt", gibt die Wissenschaftlerin zu bedenken. Gefordert ist nicht zuletzt die hier eigentlich längst in Bringschuld stehende Politik.

Die Forscher fordern, dass die indirekte Verantwortung von Konsumenten für Umwelteffekte in der Ferne international etwa im Rahmen der Biodiversitätskonvention der Vereinten Nationen (UN) stärker berücksichtigt werden. "Alle Mitgliedsstaaten sollten ihre Wirtschaftspolitik so gestalten, dass Umweltauswirkungen ihres Konsums in anderen Weltregionen minimiert werden", betont Eisenmengers Kollege Erb.

Besser einmal auf etwas ganz zu verzichten, kann auch bedeuten, selbst besser zu leben. Eine nicht ganz neue, aber am Ende sehr ertragreiche Erkenntnis.