Am 12. Dezember 2017 startete der Korruptionsprozess gegen Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser, Ex-FPÖ-Generalsekretär Walter Meischberger und andere. Seitdem hat Richterin Marion Hohenecker souverän 72 Prozesstage abgespult. Im Folgenden das "Best-of" aus dem Großen Schwurgerichtssaal des Wiener Straflandesgerichts.

Grasser als Steher: "Das Filmen und Fotografieren ist bitte einzustellen" - dieser Standardsatz von Hohenecker zu Verhandlungsbeginn jeweils um 9:30 Uhr ist für Grasser das grüne Licht zum Sitzen. Denn der ehemalige Minister nimmt auf der Anklagebank immer erst dann Platz, wenn er nicht mehr abgelichtet werden darf.

Grasser als Purist: Er habe keinen Arbeitgeber, kein Auto und kein Haus, beschrieb Grasser zu Prozessbeginn seine finanzielle Situation. Wie viel Vermögen er abgesehen davon hat, wollte er nicht verraten. Grasser-Anwalt Manfred Ainedter meinte später einmal: "Geld war für Karl-Heinz Grasser nie eine Triebfeder."

Einschulung in Feminismus: "Es entspricht nicht dem Zeitgeist, einer Richterin die Meinung des Ehemanns kritiklos umhängen zu wollen", belehrte sie Grasser-Anwalt Manfred Ainedter, der sie wegen Tweets ihres Ehemannes zur Causa Grasser als befangen bezeichnete.

Das Gericht als Bühne: "Was hat er heute an?" - Eine der wichtigsten morgendlichen Fragen unter den Prozessbeobachtern bezog sich nicht auf die stets perfekt gekleideten Grasser und Walter Meischberger, sondern auf Verteidiger Michael Dohr und dessen schrille Anzüge. Am ersten Verhandlungstag trug er einen Anzug von Vivienne Westwood mit Geldnotenaufdruck.

Wasser, Licht, Sonne und Luft: Richterin Hohenecker hat auch im dunklen und oft kalten Schwurgerichtssaal die Work-Life-Balance im Auge. "Es sollte sich für jeden Beteiligten neben diesem Verfahren auch ein Leben ergeben", meinte sie bei Bekanntgabe der verhandlungsfreien Tage.

Elegantes Ende: Richterin Hohenecker beendet den jeweiligen Verhandlungstag immer knackig-kurz, aber gerne mit einem Einstreuer. So meinte sie nach den Ausführungen des Mitangeklagten Ex-Immofinanz-Chefs Karl Petrikovics: "Weil Closing so ein schönes Wort ist - sagen wir, auf nächste Woche". Und als es mal länger dauerte, meinte sie, sie wisse man wolle lieber "Ausgang als Zugang" im Straflandesgericht.

It's A Man's World: Was haben alle Angeklagten gemeinsam? Sie sind ältere, weiße Männer. Und das Gericht? Dieses ist mit Richterin, Ersatzrichterin und Erst-Schöffin eindeutig weiblich.

Prozess der großen Scheine: Die Hauptverhandlung rund um die Buwog, den Terminal Tower Linz und die Telekom Austria als "Bankomat der Republik" beschert der Gerichtskantine nicht nur ein volles Haus, es stellt die Bediensteten auch vor ein Wechselproblem: "An diesen Tagen gibt es besonders viele große Scheine", so ein Kantinenmitarbeiter.

Who is Who: Hohenecker fragte beim angeklagten Ex-Raiffeisen-Manager Georg Starzer nach, ob es denn einen Unterschied zwischen "Berater" und "Lobbyist" gebe. Antwort von Starzer: "Es ist nicht dasselbe, aber das Gleiche."

Albtraum Schlossbesitzer: Mit Cinderella-Träumen kann Starzer wenig anfangen. "Wer will schon ein Schloss", meinte er zu Aussagen von Hochegger, wonach ihm von der RLB statt Bargeld ein Schloss als Entlohnung angeboten worden sein soll.

Viel Rauch, aber keine "Smoking Gun": Auch wenn in den 72 Verhandlungstagen bisher die "Smoking Gun", also der eindeutige Schuldbeweis, fehlte - Rauch gab es genug. Allerdings nicht im Verhandlungssaal, sondern im Raucher-Innenhof. Meischberger, Grasser und dessen Anwalt Manfred Ainedter sind die prominentesten Vertreter der Raucherliga.

Primar Meischberger: In einem tagesfüllenden Monolog vor Beginn seiner Befragung durch Hohenecker gab Meischberger auch eine medizinische Diagnose ab: "Kein kopfgesunder Mensch will ins Gefängnis."

KHG als Steuer-Laie: Meischberger, einst Trauzeuge von Grasser, auf die Frage, warum er sich in Steuerfragen nicht an seinen Freund und damaligen Finanzminister gewandt hatte: "Der Grasser hat sich da nicht ausgekannt."

Die Aura der Macht: Wie es mit der Anziehungskraft zu Reichen, Schönen und Mächtigen aussieht, erklärte Meischberger so: "Es ist, wie wenn man in einem Menschen einen Magnet einschaltet. Alle anderen Menschen, wenn ich sie als Eisenspäne sehe, richten sich sofort auf dieses Machtzentrum aus, die Aura der Macht. (...) Ich stand zwischen diesen Eisenspänen und den Magneten, nichts anderes war meine Funktion, und das ist halt einfach so."

Parlamentarier nur halbe Leistungserbringer: Laut dem ehemalige FPÖ-Generalsekretär Meischberger läuft eine Legislaturperiode so ab: Ein Jahr dauert es, bis sich die Partei eingerichtet hat, zwei Jahre wird voll gearbeitet, dann wird ein Jahr Wahlkampf gemacht.

Partnerschaftliches Schweigegelübde: Was viele erst nach der Scheidung wissen, wusste Meischberger schon lange - Reden ist Silber, Schweigen ist Gold. Zumindest was die Eigentumsverhältnisse betrifft, die er vor seiner damaligen Lebensgefährtin teilweise geheim hielt. Von den millionenschweren Konten in Liechtenstein wusste sie nichts.

Grasser supersauber: In einem Telefonat mit Meischberger beklagt sich Grasser über die Versumpfung des Landes: "Ich bin wirklich sprachlos bei den Dingen, die du mir sagst. Dass das Land so korrupt und so beschissen funktioniert und so politisch gelenkt ist, macht mich wirklich sprachlos."

Meischberger vs. Petzner: Als beste Freunde kann man die beiden Gefolgsleute des mittlerweile verstorbenen Kärntner Landeshauptmanns Jörg Haider wahrlich nicht bezeichnen. Seine Befragung durch den damaligen Abgeordneten Stefan Petzner im U-Ausschuss habe in "gereizter" Stimmung stattgefunden, nachdem er, Meischberger, angemerkt habe, Petzner sei ständig "am Schoß von Haider gesessen". Petzner habe daraufhin von dem Satz ablenken wollen. Replik der Richterin im Schwurgerichtssaal: "Ich auch." Antwort von Meischberger: "Bei Ihnen verstehe ich das, aber beim Petzner auch."

Blaue Pilz-Unverträglichkeit: "Alles, was der Pilz sagt, ist verzichtbar, grundsätzlich", beschrieb Meischberger seine Erfahrungen mit dem damaligen Grünen Abgeordneten Peter Pilz.

Frag' nach bei Hohenecker: Das Elefantengedächtnis der Richterin hilft auch bei heiklen Beziehungsfragen. Nachdem Grasser beim Hochzeitsdatum das falsche Datum nannte, half Hohenecker sofort mit dem richtigen Tag aus. Zur Ehrenrettung von Grasser: Er hat sich "nur" um einen Tag geirrt.

Diplomat Hochegger: Der Ex-Lobbyist, einst Inhaber einer der größten PR-Agenturen des Landes, gab im eingeschobenen Telekom-Verfahren einen Einblick, wie man Netzwerke aufbaut: "Ich hab' immer diplomatisch agiert, dass sich niemand schlecht fühlen musste, das war meine Stärke."

Sportsmann Meischberger: Als Richterin Hohenecker zum teilgeständigen Hochegger meinte, dass Meischberger auf ihn nach seinem Geständnis böse sein könnte, sah dieser dem Ex-Generalsekretär zum ersten Mal seit Monaten in die Augen und meinte: "Der nimmt das sportlich."

Bruderkrieg: So mancher Sponsoring-Wunsch aus der Politik stellte die Telekom vor besondere Herausforderungen. Es sollte ein Vorarlberger Eishockeyclub gesponsert werden, doch zahlte die Telekom schon für einen Kärntner Club. "Da hätte ja die Telekom gegen die Telekom gespielt", so der mitangeklagte Ex-Telekom-Vorstand Rudolf Fischer zur Richterin.

Rückzugsgefecht: Noch zu Beginn der Hauptverhandlung Mitte Dezember 2017 hatten die beiden Grasser-Anwälte Manfred Ainedter und Norbert Wess schwerste Geschütze gegen die Kärntner Richterin aufgefahren und dieser massive Befangenheit wegen Grasser-kritischer Meldungen ihres Ehemannes auf Twitter vorgeworfen. Nachdem sich diese davon unbeeindruckt zeigt und regelmäßig mit bester Aktenkenntnis glänzt ist der Ton weit freundlicher geworden. Nur wenige Tage nach den massiven Anwürfen meinte Ainedter über die Richterin: "Sie ist sehr genau, sehr penibel, sehr gewissenhaft. Da gibt es nichts zu bemängeln."

Singender Hochegger: Am 4. Verhandlungstag ließ Hochegger die Bombe platzen - er kündigte über seinen Anwalt ein Teilgeständnis an. "Mein Mandant hat bereits viel ausgesagt, aber noch nicht alles", kündigte Verteidiger Leonhard Kregcjk an. Am Ende des Verhandlungstages meinte Ainedter dazu: "Verbessern tut's die Situation nicht, das ist klar."

Flieg Henderl, flieg: Dass der damalige Verkehrsminister Mathias Reichhold den Ehrenschutz für einen Hühnerweitflug-Wettbewerb innehatte und deshalb um Sponsoring bei der Telekom Austria anfragte, bescherte Richterin Hohenecker einen Lachanfall - und den drei fliegenden Siegern in ihrer Kategorie blieb das Schicksal ihrer Artgenossen erspart, denn gefeiert wurde der "Backhenderltag". Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute.