Jetzt ist es offiziell: Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat exzessives Computer- und Videospielen in den Krankheitskatalog aufgenommen. Die „Gaming Disorder“ rangiert hinter der Glücksspielsucht im Katalog der Krankheiten.

Von vielen Ärzten, die täglich mit computerspielsüchtigen Patienten zu tun haben, wird die Entscheidung begrüßt – gleichzeitig äußern sich andere in einem offenen Brief kritisch, da sie die Gefahr einer „Pathologisierung“ sehen – jugendliches Verhalten würde für krankhaft erklärt, eine große Zahl von Gamern zu Patienten gemacht. Auch österreichische Experten sehen diese schwierige Gratwanderung – und für Eltern bleibt die Frage: Ist das noch normal, wie viel mein Kind zockt?

Soziale Kontakte gekappt

„Prinzipiell ist Computerspielen ein normales Freizeitverhalten bei Jugendlichen“, sagt Roland Mader, Sucht-Experte am Anton-Proksch-Institut in Wien. Doch das Spielverhalten könne zur Sucht werden – die Anzeichen dafür sind:

  • Spieler verlieren die Kontrolle darüber, wie lange sie spielen;
  • andere Aktivitäten werden vernachlässigt, sie ziehen sich zurück, kappen Kontakte zu Freunden und vernachlässigen Hobbys, die ihnen wichtig waren;
  • Schule oder Lehre leidet und
  • Betroffene können mit dem Spielen auch nicht aufhören, wenn negative Konsequenzen drohen.

„Eltern wünschen sich oft eine Zahl: Wenn mein Kind so lange online ist, wird es problematisch. Diese Zahl gibt es aber nicht“, sagt Martin Fuchs von der Innsbrucker Uniklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie. Wichtiger sei der Einfluss, den das Spielen auf das Leben des Betroffenen ausübt.

Suchtzone Rollenspiele

Als Taure oder Nachtelfe die endlosen Weiten des Rollenspiel-Giganten „World of Warcraft“ durchkämmen oder als Teil einer Antiterroreinheit im Evergreen-Egoshooter „Counterstrike“ Schlachten gewinnen: Diese Arten von Spielen sind laut Mader jene mit dem größten Suchtpotenzial. „Es wird in Gruppen gespielt, wodurch der Zwang besteht, nicht aufhören zu können.“ Doch Mader hat auch Patienten, die „Minecraft“ am Handy exzessiv spielen.

„Wir sollten dieses neue Krankheitsbild ohnehin breiter verstehen“, sagt Fuchs – und spricht allgemeiner von einem problematischen Internetgebrauch. Sind es bei den Buben vor allem Online-Games, die zum Suchtverhalten führen, verlieren sich Mädchen vor allem in sozialen Netzwerken oder Messengern. „Prinzipiell ist das Thema Internetsucht aber bei beiden Geschlechtern gleich stark“, sagt Fuchs.

In einer aktuellen Studie konnte der Psychiater außerdem zeigen, dass es meist „eine Geschichte hinter der Geschichte“, gibt: Jugendliche, die an psychischen Erkrankungen leiden, haben ein beinahe achtfach erhöhtes Risiko, eine Internetsucht zu entwickeln. „Hinter der Internetsucht kann bei Jugendlichen eine Depression oder eine Angststörung stecken.“ Die Online-Welt biete einen Fluchtort, wo sich Jugendliche eine Lösung erhoffen. „Diese Krankheiten dahinter dürfen nicht übersehen werden“, sagt Fuchs. Denn werden diese behandelt, löse sich auch oft das Suchtproblem.

Auflösen könne sich auch das Problem des exzessiven Spielens ganz von selbst: „Nicht jeder Jugendliche, der viel zockt, ist krank“, sagt Mader. Auch Fuchs unterstreicht: „Spielen kann ein intensives Hobby sein, ohne dass der Jugendliche die Kontrolle über sein Leben verliert.“ Studien hätten gezeigt, dass sich die zu Beginn intensive Faszination für ein Spiel bei der überwiegenden Mehrheit totläuft – die Experten raten Eltern daher zu Gelassenheit. Ein echtes Suchtproblem betreffe nur einen kleinen Teil der Videospieler - die Häufigkeit in der Bevölkerung liegt bei ein bis zwei Prozent.

Dennoch: Eltern sollten mit ihren Kindern verbindliche Regeln für ihr Online-Verhalten vereinbaren. „Denn gibt es gar keine Regeln, kann das das Suchtverhalten begünstigen“, sagt Fuchs.