Darmkrebs lautete die Diagnose. Mit 71. Mit „Absiedlungen“ wie es medizinisch-technisch heißt, die sich bereits in seinem Bauchraum gebildet hatten. In der Palliativstation des Klinikums Klagenfurt kam der 71-Jährige bereits geschwächt an. Er wusste wohl, dass ihm nicht mehr viel Zeit bleibt. Einen Wunsch habe er noch, sagte der Patient: Er wolle das Treffen seiner Bikergemeinde besuchen und sich noch einmal mit seinen Clubkollegen treffen, wird in einem Bericht der Klinik geschildert.

Rudolf Likar, Abteilungsvorstand für Anästhesiologie und Intensivmedizin am Klinikum Klagenfurt und Leiter der Palliativabteilung, hat viele solche Fälle erlebt und betreut. Er hat mit seinem Team Wünsche möglich gemacht, auch wenn sie noch so unmöglich erschienen. Einmal, da organisierte er samt Team sogar eine Panzertour für einen Schwerstkranken. Indem niedergelassene und Klinikärzte, Pflegedienste, Psychologen, Sozialarbeiter, Ergo- und Physiotherapeuten, kärntenweit aktive Palliativ-Teams, ehrenamtliche Mitarbeiter und auch Angehörige zusammen­arbeiten, entstehen Geschichten, die man nicht glaubt, ehe man die Fotos davon sieht. Von Szenen, die einem die Tränen in die Augen treiben – aber schwer kranken Menschen glückliche Momente beschert haben.

Über seine Arbeit mit einem Tabuthema, mit dem viele Berührungs­ängste verbunden sind, sagt Likar: „Schon, aber das liegt auch daran, dass die Gesellschaft den Tod verdrängt.“ Und: „Zu den großen Fortschritten gehört es aus meiner Sicht auch, dass wir als Betreuende heute weniger Angst haben als früher, mit Menschen in ihrer letzten Lebensphase über das Thema Tod zu sprechen, zu besprechen, was auf sie zukommt.“

Für den 71-jährigen Patienten wurde ein spezieller Krankentransport organisiert. „Liegend mit Begleitung“ zu dem ungefähr 35 km vom Krankenhaus entfernten Treffen. In voller Biker-Ausstattung, die Rettung fuhr direkt beim Stützpunkt seines Clubs vor. Dort warteten seine Clubkollegen. „Jetzt bin ich zu Hause“, sagte der Patient. Von der Liege wurde er in den mitgebrachten Rollstuhl gesetzt, zwei Stunden war er unter seinen Freunden.

Likar hat eine klare Vorstellung: „Unsere Aufgabe ist es, Patienten zu fragen: Was ist sein Lebensziel? Wenn es ihm reicht, mit dem Rollator zum Tisch zu fahren, dann machen wir das. Schaffen wir das nicht, dann muss man als Arzt darauf aufmerksam machen. Das Therapieziel Lebensqualität bestimmt der Betroffene. Reinhören als Arzt, sich zurücknehmen, nachdenken. Darum geht es.“ Und darum, den Patienten in der Palliativbetreuung sinngemäß zu „ummanteln“, denn der Begriff werde vom lateinischen „pallium“ abgeleitet, was Mantel heiße. Die Aufgabe der Palliativbetreuer sei es, unheilbar kranken Menschen – im übertragenen Sinne – einen Schutzmantel zu geben.

Nach den zwei Stunden wollte der 71-Jährige wieder zurück. Er bedankte sich für „einen der schönsten Tage seines Lebens“. „Zwei Tage später verstarb der Patient auf unserer Palliativstation“, so Likar. Es sei an einem frühen Nachmittag gewesen, gerade als das Treffen der Bikergemeinde beendet war. Man habe seine Clubkollegen vom Tod ihres Freundes unterrichtet. Sie drehten noch eine Ehrenrunde mit ihren Motorrädern für ihren verstorbenen Freund.