Zürcher Immunologinnen und Immunologen haben Signaturen im Blut von Covid-19-Patientinnen und -Patienten entdeckt, die eine Long-Covid-Erkrankung frühzeitig vorhersagen könnten. Den auf den Erkenntnissen beruhenden klinischen Risiko-Score stellen sie im Fachmagazin "Nature Communications" vor.

Müdigkeit, Atemnot, kognitive Beeinträchtigung, Muskelschwäche und Gelenkschmerzen: Halten aufgetretene Beschwerden nach einer Covid-19-Erkrankung länger an, spricht die Fachwelt von Long Covid. Wieso manche Patienten unter solchen Langzeitfolgen leiden und andere nicht, ist bisher nur unzureichend geklärt.

Das Team um Onur Boyman, Immunologe an der Universität und dem Universitätsspital Zürich, analysierte nun die Krankheitsgeschichte von 175 Personen, die in der ersten Welle positiv auf das Coronavirus getestet wurden. 40 Personen, ohne nachweisbaren Kontakt mit Sars-CoV-2, dienten als Kontrollgruppe. Von denjenigen Personen, die leicht an Covid-19 erkrankt waren, berichteten demnach 54 Prozent von Symptomen, die länger als vier Wochen anhielten. Von den schwer erkrankten Patienten waren es 82 Prozent.

Anhand der klinischen Daten kristallisierten sich verschiedene Faktoren heraus, die mit einem Risiko für Long Covid einhergehen. Dazu gehören Alter, Schwere der Erkrankung und allergisches Asthma. Zudem fanden die Forschenden Signaturen im Immunsystem: Ein niedrigerer Spiegel von zwei bestimmten Klassen von Antikörpern korrelierten mit einem höheren Risiko für Long Covid.

Antikörper sind die Waffen des Immunsystems im Kampf gegen Krankheitserreger. Bei den für Long Covid relevanten Antikörpern handelt es sich der Studie zufolge zum einen um die Immunglobuline M, die besonders zu Beginn einer Infektion eine wichtige Rolle spielen. Zum anderen wiesen Long-Covid-Betroffene tiefere Konzentrationen der Immunglobuline G3 auf, die für die Bekämpfung von Viren wichtig sind.

Bei der entdeckten immunologischen Signatur handle es sich nicht um die spezifische Abwehr gegen Sars-CoV-2, sondern um Antikörper, die sich gegen verschiedenste Krankheitserreger richteten, sagte Boyman im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA: "Die Spiegel der verschiedenen Antikörperklassen zeigen eher, wie das Immunsystem generell mit Infektionen umgeht."

Die Ergebnisse könnten demnach darauf hindeuten, dass eine Ursache für Long Covid eine fehlgeleitete Immunantwort sein könne. "Dies eröffnet die Möglichkeiten für gezielte Behandlungen, etwa durch die Gabe bestimmter Immunglobuline oder immunmodulierender Medikamente", so Boyman. Der beste Schutz gegen Long Covid sei aber ganz klar die Impfung, weil sich damit das Risiko einer raschen Virusvermehrung und folglich einer fehlgeleiteten Immunreaktion bei Kontakt mit dem Virus vermindern ließe.

Die Erkenntnisse der Studie ließen die Forschenden in ein neues Modell fließen, mit dem sich das Risiko für Long Covid berechnen lässt. Sie verifizierten es bereits mit einer unabhängigen Studiengruppe von 395 positiv auf Sars-CoV-2 getesteten Personen. Zudem machte Carlo Cervia, Erstautor der Studie, das Modell auf einer Webseite frei zugänglich für Ärztinnen und Ärzte.

"Das erlaubt uns, die Anwendbarkeit des Risiko-Scores mit Tausenden Menschen unterschiedlichen Alters, Ethnien und gesundheitlichen Vorgeschichten zu prüfen", sagte Boyman. Der Vorteil der Methode sei insbesondere, dass sich die für das Modell benötigten Immunglobulin-Spiegel kostengünstig und einfach bestimmen ließen.

Je nach Studie leiden zehn bis sechzig Prozent der Patienten unter Langzeitfolgen einer Coronavirus-Infektion. Die Unterschiede sind derart groß, weil für Long Covid nicht immer dieselbe Definition verwendet wird. Mit Sicherheit ließe sich aber sagen, dass sich die Betroffenen in ihrem Leben stark eingeschränkt fühlten, so Boyman.