Wenig optimistisch blickt der Virologe Florian Krammer von der Icahn School of Medicine at Mount Sinai in New York auf die ersten Daten zur Omikron-Variante. "Es breitet sich schnell aus" und scheine eine gute Fluchtvariante zu sein. "Daher ist es sehr wahrscheinlich, dass es einen Omikron-spezifischen Booster brauchen wird." Es gebe aber Hinweise, dass Genesene und doppelt Geimpfte zumindest weiter gegen schwere Verläufe geschützt sind.

Es sehe danach aus, dass der neue Erregertyp einer gegen frühere Sars-CoV-2-Varianten gebildeten Antikörperantwort relativ gut entkommen könnte. AuchTherapien mit monoklonalen Antikörpern scheinen bei der neuen Variante weniger wirksam zu sein. Der durch das AstraZeneca-Vakzin aufgebaute Schutz könne wahrscheinlich sehr wenig gegen symptomatische Verläufe ausrichten, wie neue Daten aus Großbritannien zeigen würden. Nach erhaltener Boosterimpfung mit einem mRNA-Impfstoff liege der Schutz jedoch bei rund 70 Prozent, so Krammer.

Der Booster steigert den Schutz

"Nicht viel besser" sehe es für einfach Geimpfte mit dem Pfizer/Biontech-Vakzin aus. Mit dem dritten Stich gehe der Schutz vor symptomatischen Erkrankungen aber wieder in Richtung 75 Prozent. "Es gibt also etwas Hoffnung für Menschen, die sich die Booster-Dosen holen", sagte der Wissenschaftler in einem von der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) organisierten Online-Vortrag am Montagabend.

Eine große Frage sei, wann die ersten angepassten mRNA-Impfstoffe verfügbar sein werden. Eine weitere Impfung mit dem angepassten Impfstoff sollte man sich Krammers Dafürhalten nach jedoch nicht früher als vier Monate nach dem vorangegangenen Stich holen. Länger mit einem dritten oder vierten Stich zu warten, sei auch nicht problematisch: "Der Booster wirkt trotzdem." Wenn man sich nun aber ansehe, wie rasch Omikron sich in vielen Ländern bereits ausbreitet, "ist jetzt eine gute Zeit, um sich den Booster zu holen, wenn die letzte Impfung vier bis sechs Monate zurückliegt", sagt Krammer, der auch auf Twitter regelmäßig neueste Erkenntnisse teilt und erklärt.

Bei Kindern gebe es noch keine Empfehlung zur Auffrischungsimpfung. "Ich würde hier noch auf die offizielle Empfehlung warten", sagte Krammer. Kinder hätten weiter eine niedrigere Wahrscheinlichkeit auf schwerere Verläufe und in der Regel eine starke Immunantwort auf die ersten beiden Impfungen.

Eine britische Expertin sieht Anzeichen dafür, dass sich die Omikron-Variante des Coronavirus noch schneller verbreiten könnte als bisher angenommen. Zunächst sei man davon ausgegangen, dass sich die Zahl der Infektionen mit der Variante innerhalb von zwei bis drei Tagen verdoppelt, sagte die medizinische Chef-Beraterin der britischen Gesundheitsbehörde (UKHSA), Susan Hopkins. "Es scheint im Moment, als sei diese Wachstumsrate eher noch kürzer als länger."

Richard Neher, der Leiter der Forschungsgruppe Evolution von Viren und Bakterien am Biozentrum der Universität Basel, warnte auf Twitter vor zu schnellen Schlussfolgerungen, sollten die Omikron-Fallzahlen in einem Land vermeintlich nicht mehr so schnell ansteigen wie zunächst. Es sei angesichts sehr hoher Fallzahlen wahrscheinlich, dass Test-Kapazitäten an ihre Grenzen kämen und es zu Verzögerungen bei der Meldung von Fällen komme, schrieb er.In einem am Montag von seiner Universität veröffentlichten Interview hatte Neher gesagt, dass Omikron andere Varianten wie Delta schon in Kürze europaweit verdrängt haben dürfte. Wenn die Entwicklung so weitergehe wie bisher, werde Omikron in etwa zwei bis vier Wochen in Europa vorherrschend sein. Die Übertragungsrate sei dreimal so hoch wie bei Delta. Grund dafür sei, dass sich sowohl Geimpfte als auch Ungeimpfte infizieren. Gegen eine Ansteckung seien Geimpfte bei der Delta-Variante besser geschützt gewesen als nun bei Omikron.