Die Frage nach der Sicherheit von medizinischen Interventionen steht derzeit im Fokus wie nie zu vor. Vor allem die Diskussionen um die Zulassung eines Covid-Impfstoffs für Kinder hat dabei auch die Forderungen vieler Eltern in den Vordergrund gerückt: Egal ob Impfung oder Medikament, bevor diese Kindern verabreicht werden, sollen ausreichende Studien vorliegen. Doch im medizinischen Alltag ist das nicht immer der Fall. In der Kinder- und Jugendheilkunde kommen täglich viele Arzneimittel zur Anwendung, die keine offizielle Zulassung für Kinder haben.

Seltenheit ist das keine, wie Pädiater Reinhold Kerbl erklärt: „Bei den niedergelassenen Ärztinnen und Ärztin haben etwa 20 bis 30 Prozent der bei Kindern angewandten Medikamente keine Zulassung für diese Altersgruppe. In der Intensivmedizin sind es 70 bis 80 Prozent.“ Die Zulassung für diese Medikamente ist deswegen nicht erfolgt, weil keine dementsprechenden Studien mit Kindern gemacht wurden.


Das Fehlen der Studien hat mehrere Gründe. Oft hat schlichtweg das Unternehmen, welches das Medikament herstellt, kein Interesse daran, eine solche durchzuführen: „Studien sind sehr teuer. Häufig kommen die besagten Medikamente dann aber nur bei sehr wenigen Kindern zum Einsatz. Das hat zufolge, dass sich die Erhebung finanziell nicht rentiert“, so Kerbl. Dazu kommt, dass viele Eltern eine Studienteilnahme ihrer Kinder ablehnen: „Man muss aber sagen, dass Kinder, die in Studien mit Medikamenten behandeln werden, die größte Sicherheit haben, weil es nirgends sonst so viele Sicherheitsmaßnahmen gibt.“

Doch warum werden diese Medikamente bei Kindern eingesetzt, obwohl sie keine offizielle Zulassung für diese Altersgruppe besitzen? „Die fehlende Zulassung bedeutet nicht, dass man diese Medikamente nicht verwenden darf. Man muss sie sogar verwenden, weil man keine anderen zur Verfügung hat und die Erkrankung ja trotzdem behandelt werden muss“, so der Experte. Um Sicherheit bei der Verabreichung gewährleisten zu können, wird meist auf eine andere Dosierung gesetzt als bei Erwachsenen: „Dafür gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder wird die Dosis an das Gewicht des Kindes angepasst oder an seine Körperoberfläche“, so Kerbl.


Diesbezüglich tauschen sich Medizinerinnen und Mediziner weltweit aus. Erfahrungswerte mit unterschiedlichen Dosierungen werden gesammelt und Empfehlungen gegeben: „Bei vielen dieser Medikamente wissen wir mittlerweile genau, auch ohne altersspezifische Zulassung, wie wir sie anwenden müssen.“

Dennoch wäre es wünschenswert, für mehr Studien in diesem Bereich zu sorgen. Denn Kinder sind nicht einfach nur kleinere Erwachsene. Ihre Körper funktionieren zum Teil anders: „Kinder haben einen anderen Metabolismus. Das heißt, sie setzen Medikament anders um als Erwachsene – manche Arzneimittel schneller, manche langsamer“, so der Experte. Zusätzlich dürfe man auch nicht Kinder als einheitliche Gruppe ansehen: „Der Körper eines Einjährigen verhält sich ganz anders als der eines Zehnjährigen.“


Damit sich hier etwas ändert, setzt sich „Okids“ – ein Unternehmen der Österreichischen Gesellschaft für Kinder und Jugendheilkunde (ÖKGJ) – seit 2013 dafür ein, dass in Österreich mehr Medikamentenstudien mit und für die Jüngsten gemacht werden: „Hier wurde schon einiges erreicht, aber es muss in diesem Bereich noch viel mehr passieren“, so Kerbl.