Obwohl Impfungen zu den nachweislich sichersten medizinischen Methoden zählen, sorgen diese bei vielen Menschen für Unsicherheit. Das liegt auch daran, dass oft unklar ist, was eigentlich im Körper passiert, sobald der Impfstoff sich im Organismus befinden. Damit gehen viele Fragen einher: Wie wirkt sich der Covid-Impfstoff auf das Immunsystem aus? Warum kommt es zu Impfreaktionen? Und wann kann der Impfstoff im Körper keine neuen Reaktionen mehr auslösen?

Trockentraining für das Immunsystem 

Bernd Lamprecht, Vorstand der Klinik für Lungenheilkunde am Kepler Univ. Klinikum Linz, erklärt: „Prinzipiell geht es bei allen Impfstoffen darum, dass das Immunsystem an etwas an sich Gefahrlosem wie abgetöteten Viren oder Bestandteilen sowie Merkmalen des Virus üben kann. Es erfolgt also ein Trockentraining.“ Der Effekt dieses Trainings: Das Immunsystem bildet spezifische Antikörper und zelluläre Immunität aus und ist damit für den Ernstfall – also eine tatsächliche Infektion – vorbereitet. Dafür können Impfstoffe mit unterschiedlicher Technik zum Einsatz kommen. Nachdem die Vektorimpfstoffe immer weniger verabreicht werden, sind derzeit zum Großteil mRNA-Impfstoffe im Gebrauch. Auch der erste Corona-Totimpfstoffsoll demnächst zugelassen werden.

„Bei den mRNA-Vakzinen wie Biontech/Pfizer und Moderna wird als Impfstoff nur der Bauplan für ein Virusmerkmal geimpft. Der Impfstoff kommt durch die Verabreichung in eine Muskelzelle und diese befolgt den Bauplan“, so Lamprecht.  Die Muskelzelle baut also ein Oberflächenmerkmal des Coronavirus zusammen: „Das ist nichts Gefährliches und es besteht auch nicht die Möglichkeit, dass man dadurch die Viruserkrankung entwickelt“, so der Experte. Bei einem Totimpfstoff wird das Merkmal des Virus nicht erst im Körper zusammengebaut. Mit dem Vakzin werden solche Virusmerkmale oder abgetötete, inaktive Viren verabreicht. „Der Unterschied ist also einfach nur, wie der Körper zu dem Virusmerkmal kommt“, sagt Lamprecht. Weil die mRNA-Impfstoffe keine vermehrungsfähigen Viren enthalten, setzt etwa das RKI in Deutschland oder die EMA sie mit Totimpfstoffen gleich.

Bestmögliche Vorbereitung 

Was dann im Körper passiert, ist bei allen Impfstoffen gleich: Das Immunsystem erkennt das Virusmerkmal als feindlich und entwickelt eine Immunantwort. Antikörper werden gebildet und Immunzellen trainiert. „Kommt der Körper später dann mit dem tatsächlichen Virus in Kontakt, ist der Organismus bereits darauf vorbereitet und kann spezifisch reagieren“, so Lamprecht. Dadurch kann eine Erkrankung verhindert werden oder fällt schwächer aus. „Wenn ein Körper das Virus nämlich noch nicht kennt, vergeht einige Zeit, denn das Ausbilden einer spezifischen Immunantwort dauert – bis dahin ist der Körper oft schon schwer betroffen.“

Auch wenn der Impfstoff verabreicht wurde, braucht es seine Zeit, bis die Immunantwort fertig ausgebildet ist. „Man kann sich das wie einen Produktionsprozess vorstellen, der durch den Impfstoff in Gang gesetzt wird. Wenn dieser vorbei ist, besteht ausreichend Schutz“, erklärt der Experte. Dieser Produktionsprozess kann in den ersten Tagen den Körper fordern. Dadurch kann es zu Impfreaktionen wie Kopfschmerzen oder Fieber kommen. „Die Dauer dieser Symptome ist aber limitiert. Nach spätestens drei Tagen sind sie im Normalfall abgeklungen“, so Lamprecht. Hat man keine Impfreaktionen, bedeutet das aber keinesfalls, dass die Impfung nicht wirkt: „Jeder Mensch reagiert anders.“

Dauer bis zum Impfschutz 

Doch wie lange dauert es, bis der Impfschutz besteht? Perfekt ausgebildet ist der Schutz im Normalfall eine Woche nach dem Verabreichen der zweiten Impfdosis. Zwischen erstem und zweitem Stich sollten in etwa drei Wochen Abstand eingehalten werden. „Aber schon 14 Tage nach der ersten Impfung hat man zumindest einen Teilschutz“, so der Experte. Mit der Zeit nimmt der Impfschutz dann ein wenig ab. Deswegen wird bei der Coronaimpfung jetzt – wie bei vielen anderen Schutzimpfungen – auf ein Drei-Dosen-Schema gesetzt: „Der Booster aktiviert die Gedächtnisleistung des Immunsystems. Dieses wird also quasi an das Virus erinnert, um zu wissen, dass es weiterhin spezifische Immunreaktionen bereithalten muss“, so Lamprecht. Etwa eine Woche nach dem dritten Stich ist die Schutzwirkung dann wieder optimal hergestellt.

Aber kann es auch passieren, dass lange nach dem Stich noch negative Effekte der Impfung auftreten? Könnte es also Langzeitfolgen geben, die man jetzt noch nicht erahnen kann? „Impfstoff-Expertinnen und Experten sind sich hier einig: Wenn die Impfung zu negativen Effekten führen würde, würde man diese bereits jetzt sehen. Sie können spätestens wenige Wochen nach der Impfung auftreten und nicht Jahre oder Jahrzehnte später. Das ist nicht zu erwarten“, erklärt Lamprecht. Bei den bisher Milliarden geimpften Menschen weltweit ließen sich keine bedenklichen Signale erkennen, die in Richtung Langzeitfolgen deuten würden.