Simulationsexperte Nikolas Popper erwartet für die kommenden Wochen eine "Challenge" durch einen "ordentlichen Anstieg" an Corona-Infektionen. Es gebe keinen Grund zu glauben, dass sich die Entwicklung anders gestalten werde. Popper gibt im Wesentlichen drei Ursachen an: die Reiserückkehrer, den Schulbeginn sowie, dass die Immunität Genesener aus der zweiten Welle verloren gehe, was ebenfalls ein "ordentlicher Booster" sei.

Dass die Infektionen im Sommer schneller nach oben gegangen sind als vom Prognosekonsortium vermutet, begründet der Experte damit, dass die Lage sehr schwer einzuschätzen gewesen sei. Aktuell handle es sich noch um viele "Mini-Epidemien", also regionale Cluster, ausgelöst teils durch Reiserückkehrer.

Schulbeginn wird die Zahlen in die Höhe schnellen lassen

Dies wird sich Poppers Ansicht nach schon bald ändern. Es beginne schon damit, dass man über die Schultests noch etliche Fälle zusätzlich entdecken wird, die im Sommer noch verborgen geblieben wären. Insgesamt gehe die Entwicklung in dieselbe Richtung wie im Vorjahr.

Auf Zahlen, wann eine kritische Situation an den Spitälern entstehen könnte, lässt sich der Simulationsexperte nicht ein. Dies sei auch eine Frage, die von der Politik definiert werden müsse, sprich, inwieweit man die Kapazitäten ausreizen will. Man müsse sich dabei überlegen, ob man bei 750 Intensivpatienten ansetze oder ob es einem schon zu viel sei, wenn 300 oft junge Patienten eine entsprechende Behandlung benötigten.

Positiv ist für Popper, dass die Spitalszahlen, speziell im Intensivbereich, noch im Rahmen sind. Er empfiehlt aber, sich nicht darauf zu verlassen, da es hier immer einen Nachzieh-Effekt gebe.

Verdoppelung bei Spitalspatienten

Diesen Effekt sieht auch das Covid-Prognose-Konsortium in seiner jüngsten Analyse von einem weiter steigenden Trend bei den Neuinfektionen aus, wodurch sich ein signifikanter Anstieg bei den Intensivpatienten ergibt. Laut Einschätzung der Experten wird sich ihre Zahl von heute 87 in zwei Wochen mehr als verdoppelt haben. Für 8. September prognostizieren sie 180 Schwerkranke, dazu kommen 626 Patienten auf Normalstationen. Somit würden dann wieder mehr als 800 Covid-19-Infizierte im Spital liegen.

Die Auslastung der Intensivstationen wird in den kommenden zwei Wochen laut den Experten von 4,2 Prozent auf 8,9 Prozent der gemeldeten Gesamtkapazität an Erwachsenen-Intensivbetten steigen. 

Am Mittwoch meldeten die Ministerien mit mehr als 1.500 neuen Fällen die höchste Zahl an Ansteckungen seit Anfang Mai. Laut Covid-Prognosekonsortium werden es nächste Woche rund 1.700 Fälle täglich sein. Die Sieben-Tages-Inzidenz betrug heute laut AGES 97,1. Sie wird bis kommenden Mittwoch auf 136 Fällen je 100.000 Einwohner steigen. Ihre Spannbreite reicht am 1. September laut der Prognose von 69 im Burgenland bis 193 in Wien. Die effektive Reproduktionszahl wird weiterhin deutlich über 1 bleiben, womit ein Infizierter mehr als eine weitere Person anstecken wird. Für Mitte September sieht die Berechnung sogar einen Wert von mehr als 1,2 vor.

Erhöhung der Impfrate notwendig

Zentral, um eine negative Entwicklung zu stoppen, ist für Popper eine Erhöhung der Impfrate. Über die Effektivität der Immunisierung brauche man nicht mehr zu diskutieren, die Frage sei impfen oder infizieren. Der Simulationsexperte plädiert dafür, die entsprechenden Impfangebote niederschwelliger zu gestalten. Als Vorbild bezeichnet er hier Wien. Dass dort die Impfquote auch nicht höher ist als anderswo, sieht er im Großstadtfaktor begründet.

Allzu optimistisch ist Popper nicht, dass noch viele Menschen zur Impfung bewogen werden können. Das Problem sei die Radikalisierung und Polarisierung. Mehr Druck etwa auch über eine 1G-Regel wird seiner Einschätzung nach eher wenig bringen: "Ich glaube nicht, dass sich die Menschen zwingen lassen."

Wenn es tatsächlich nicht gelingen sollte, die Impfquote zu erhöhen und eine qualitative Teststruktur aufrechtzuerhalten, geht Popper davon aus, dass man mit Hygiene-Maßnahmen wird nachschärfen müssen, sprich eine Ausdehnung der Maskenpflicht. Denn einen weiteren Lockdown oder Home-Schooling wolle niemand mehr.