Eine Kindheitserinnerung teilen viele Österreicherinnen und Österreicher: Von einem Tag auf den anderen juckte plötzlich der ganze Körper. Kleine rote Punkte verleiteten dazu, sich intensiv zu kratzen. Meist war man mit diesem Problem nicht allein: Erkrankt ein Kind an Schafblattern, ist meist die ganze Kindergartengruppe oder Schulklasse betroffen. Denn die Viruserkrankung ist hoch ansteckend. Sowohl durch den Inhalt der Bläschen wie auch durch ausatmen und husten können Personen im Umfeld infiziert werden.

Aufgrund der hohen Infektiosität landete die Krankheit – die auch als Windpocken oder Feuchtblattern bekannt ist – vergangene Woche plötzlich in den Medien. Denn in einem von der New York Times zitierten Papier der US-Seuchenbehörde CDC wurde die Delta-Variante des Coronavirus mit Schafblattern verglichen: Beide seien demnach gleich ansteckend. Doch haben diese von Viren übertragenen Infektionskrankheiten darüber hinaus überhaupt Gemeinsamkeiten?

Dass Schafblattern als Beispiel für hohe Infektiosität hergezogen werden, verwundert nicht, wie Kinderinfektiologe Volker Strenger erklärt: „Die Basisreproduktionszahl dieser Erkrankung liegt bei acht bis zehn. Das bedeutet, dass jemand, der an Schafblattern erkrankt, im Durchschnitt acht bis zehn andere Menschen ansteckt.“ Auch wenn die Delta-Variante aktuellen Erkenntnissen nach sehr infektiös sei, ist es unwahrscheinlich, dass diese tatsächlich so ansteckend ist wie das Schafblattern-Virus: „Dann würden bei einem Ausbruch bei einem Festival, wie es in Kroatien der Fall war, nicht einige hundert Leute, sondern so gut wie alle, die vorher nicht immun waren, krank nach Hause kommen“, so der Experte.

Bekannt sind Schafblattern vor allem als Kinderkrankheit. Dass verstärkt Kinder betroffen sind, liegt neben der hohen Infektiosität auch daran, dass man im Normalfall nur einmal im Leben an diesem Virus erkrankt. „Hatte man bereits Schafblattern, ist man dagegen geschützt. Allerdings bleibt das Virus im Körper und kann reaktiviert werden“, so Strenger. Schafblattern werden durch ein Herpesvirus ausgelöst. Wird dieses im Laufe des Lebens reaktiviert, bricht es in Form einer Gürtelrose aus. Dazu kann es kommen, wenn gerade eine Immunschwäche vorliegt.

Gefährlich ist eine Gürtelrose nicht und auch Schafblattern verlaufen im Kindesalter in den häufigsten Fällen harmlos. Meist geht das unangenehme Jucken mit Fieber einher. „Mit einer Zinkpaste kann man die Bläschen austrocknen. Bei schweren Verläufen gibt es auch ein Medikament gegen das Virus“, so der Mediziner. Als Komplikation kann es zu Entzündungen des Gehirns oder der Lunge sowie zu zusätzlichen bakteriellen Infektionen der betroffenen Haut kommen.
Im Vergleich zu Kindern erwischt es Erwachsene oft schlimmer, wenn sie erkranken. „Die Symptome sind dann ausgeprägter und die Gefahr für Komplikationen ist größer“, so Strenger.

Um solche Situationen zu vermeiden, gibt es mittlerweile auch eine Impfung gegen Schafblattern. Diese ist allerdings nicht im kostenfreien Impfprogramm enthalten. Empfohlen wird eine zweimalige Impfung ab dem vollendeten ersten Lebensjahr. Sollte jemand im Kindesalter nicht immunisiert werden – weder durch Impfung noch durch eine überstandene Infektion – wird geraten, die Impfung zwischen dem neunten und siebzehnten Lebensjahr nachzuholen.

Aber nicht nur für Kinder und Jugendliche steht die Frage nach der Impfung im Raum. Vor allem Frauen, die in naher Zukunft eine Schwangerschaft planen, wird zu einer Immunisierung geraten, falls sie bisher nie an Schafblattern erkrankt waren: „Eine Infektion während einer Schwangerschaft ist bedrohlich für das ungeborene Kind. Die Erkrankung der Mutter kann zu massiven Fehlbildungen führen oder sogar tödlich enden“, sagt Strenger.

Große Gemeinsamkeiten zwischen dem Coronavirus und den Schafblattern bleiben also aus. Auch wenn letztere doch ansteckender sein dürften, sind diese im Kindesalter zwar meist unangenehm, aber oft harmlos. Da gilt es die Zinkpaste zu zücken und fest zu hoffen, dass auch dieses Jucken bald ein Ende hat.