Beim Herzinfarkt kommt es auf jede Minute bis zur Akutbehandlung mit Beseitigung des Blutgerinnsels in der Koronararterie an. Während der Covid-19-Krise im Frühjahr 2020 könnte hier eine langfristig wirkende, drastische Verschlechterung eingetreten sein. Das belegen Zahlen aus Litauen, welche vor kurzem bei einem Kongress der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC) vorgestellt worden sind.

An sich sollten Personen, welche verdächtige Symptome für einen Infarkt haben, oder ihre Angehörigen im Fall des Falles sofort einen Notarzt alarmieren. Gerade während des Hochschwappens der Pandemie dürfte es aber zu wesentlichen Verzögerungen gekommen sein. Ali Aldujeli von der Universitätsklinik von Kaunas in Litauen und die Co-Autoren der Studie konnten das für das baltische Land (sechs von zehn Bezirke) eindeutig belegen: "Herzinfarktpatienten warteten während der Pandemiephase durchschnittlich 14 Stunden, wenn nicht gar bis zu zwei Tage, bevor sie Hilfe herbeiriefen. Im Jahr zuvor waren es im Durchschnitt sechs Stunden gewesen."

Die Symptome eines Herzinfarktes

Ziehende, stechende Angina pectoris-Schmerzen, kalter Schweiß, Übelkeit, Erbrechen, eventuell Herzrhythmusstörungen - das können die Akutsymptome sein. Je schneller dann der Notarzt alarmiert und der Betroffene in eine spezialisierte Krankenhausabteilung aufgenommen wird, desto besser. Hält nämlich die Sauerstoffunterversorgung des Herzmuskels durch das Infarktgerinnsel an, stirbt Muskelgewebe ab. Wird hingegen der Thrombus schnell aufgelöst bzw. beseitigt (Kathetereingriff, Stent), kann bleibender Schaden verhindert werden.

In der Studie wurden die Daten von 269 litauischen Infarktpatienten (11. März bis 20. April 2020) mit einer Vergleichsgruppe aus dem Jahr 2019 verglichen. Insgesamt kam es zu einem Rückgang der akuten Spitalsaufnahmen wegen Herzinfarkts in der ersten Covid-19-Phase um 34 Prozent im Vergleich zum entsprechenden Zeitraum im Jahr 2019. Hatten die Patienten 2019 im Mittel 386 Minuten bis zur Alarmierung des Notarztes gewartet, waren es 2020 im Mittel 858 Minuten.

Rückgang von Spitalsaufenthalten

Bei der völligen Blockade eines Herzkranzgefäßes (STEMI-Infarkt) ging die Zahl der Spitalsaufnahmen um 22,1 Prozent zurück, beim non-STEMI-Infarkt ohne die klassischen EKG-Infarktzeichen und oft weniger ausgeprägten Symptomen aber um 47,4 Prozent. Die Zeit bis zum Ruf des Notarztes verdoppelte sich bei den STEMI-Patienten, bei den non-STEMI-Betroffenen vervierfachte sie sich. 

Das alles hatte in Litauen offenbar auch langfristige Folgen. Bei deutlich mehr Betroffenen trat nämlich als Folge eines Infarkts eine chronische Herzschwäche mit gestörter Pumpfunktion des Organs ein. Binnen sechs Monaten nach der Akuterkrankung während der ersten Pandemiephase mussten 22 Prozent der Betroffenen wegen "dekompensierter", also nicht zu beherrschender Herzschwäche erneut ins Krankenhaus aufgenommen werden. 2019 war das nur bei 2,5 Prozent der Patienten der Fall gewesen. Von den STEMI-Kranken waren das 30 Prozent (2019: 1,3 Prozent), von den non-STEMI-Betroffenen hingegen 16,4 Prozent (2019: 3,5 Prozent).

Die Situation in Österreich

In Österreich gab es in der ersten Pandemiephase (März bis Mai 2020) bei den Herzinfarkten mit interventionellen Eingriffen (Herzkatheter, Ballondilatation/Stents) eine Reduktion der stationären Aufenthalte um 25 Prozent, wie die Gesundheit Österreich GmbH feststellte. Laut Wissenschaftern der MedUni Graz waren während des ersten Lockdowns in der Steiermark deutlich weniger kardiovaskulär erkrankte Patienten in den Krankenhäusern behandelt worden. Zugleich war die Spitalsmortalität binnen 14 Tagen um 65 Prozent gestiegen.

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