Nach dem Auftreten von seltenen Thrombosefällen treibt die Europäische Arzneimittelbehörde EMA ihre Untersuchung des Corona-Impfstoffs von Johnson & Johnson (J&J) voran. Voraussichtlich werde die Behörde in der nächsten Woche eine Empfehlung abgeben, teilte die EMA am Mittwoch mit. Die Behörde sei weiterhin überzeugt, dass die Vorteile die Risiken des Impfstoffs überwiegen. Die EMA hatte den Impfstoff am 11. März zugelassen

So geht es in Österreich weiter

Der vorläufige Impfstoff-Lieferstopp des US-Herstellers Johnson & Johnson nach Europa dürfte sich im Kampf gegen das Coronavirus vorerst nicht auf den österreichischen Impfplan niederschlagen. Es gebe "Alternativen", mit denen sich das Impfprogramm auffüllen lasse, sagte der Infektiologe Herwig Kollaritsch, der auch dem Nationalen Impfgremium angehört, im "Ö1 Mittagsjournal" .

Das Vakzin des US-Herstellers, von dem eine Dosis zur Vollimmunisierung ausreicht, sei kein "dominanter Teil des österreichischen Impfplans", sagte Kollaritsch. Die in den USA beobachteten Nebenwirkungen nach einer Impfung seien äußerst selten aufgetreten, betonte der Experte. Es handle sich um "sechs Fälle von außergewöhnlichen thromboembolischen Ereignissen auf 6,8 Millionen verimpfte Dosen".

Kollaritsch: „Sehr genaue Kosten-Nutzen-Bewertung notwendig“

Am Abend werden in Wien weitere, detailliertere Informationen aus den USA zu den möglichen Impffolgen erwartet. Ob danach das Nationale Impfgremium zusammentreten wird, um über das weitere Vorgehen hinsichtlich der Dosen von Johnson & Johnson zu beraten – 16.800 wurden bereits an Österreich geliefert, die Lieferung von weiteren 31.200 Dosen wäre bevorgestanden –, ist unklar. Kollaritsch merkte an, die dokumentierten Nebenwirkungen seien derart selten, dass man sich "sehr genau wird überlegen müssen, wie man die Kosten-Nutzen-Bewertung dieses Impfstoffes macht".

Die seltenen schweren Nebenwirkungen nach der Impfung mit den Präparaten von AstraZeneca und Johnson & Johnson hängen deutschen Experten zufolge vermutlich mit dem speziellen Typ dieser Impfstoffe zusammen."Die Tatsache, dass beide Impfstoffe auf dem gleichen Prinzip beruhen und die gleichen Probleme verursachen, spricht meines Erachtens eher dafür, dass der Vektor selbst die Ursache ist", sagte Johannes Oldenburg vom Universitätsklinikum Bonn. Allerdings sei das zum gegenwärtigen Zeitpunkt Spekulation.

Johnson & Johnson auch in den USA unter Beobachtung

In den USA sind seit der Zulassung des "Johnson & Johnson"-Vakzins Ende Februar bei mehr als 6,8 Millionen Verimpfungen im Anschluss sechs Fälle von Hirnvenenthrombosen erfasst worden. In drei Fällen kam es zusätzlich zu einer Thrombozytopenie, also einem Mangel an Blutplättchen. In den Präparaten von Johnson & Johnson und AstraZeneca wird ein an sich harmloses Adenovirus als sogenannter Vektor genutzt, um Erbinformationen des Coronavirus in den Körper zu schleusen. Es sei theoretisch auch denkbar, dass das Spike-Protein des Virus, das in allen verfügbaren Impfstoffen dem Immunsystem zur Bildung von Abwehrstoffen präsentiert wird, die Nebenwirkungen verursacht, erklärte Oldenburg. Ebenso sei es grundsätzlich möglich, dass die Nebenwirkungen unspezifisch im Rahmen der allgemeinen Immunantwort ausgelöst würden.

Frankreich hält an Johnson und Johnson fest 

Unterdessen hält Frankreich an der Impfung mit der Vakzine von Johnson & Johnson fest. Es würden, wie geplant, Menschen im Alter von über 55 Jahren geimpft, sagte Regierungssprecher Gabriel Attal am Mittwoch nach einer Kabinettssitzung in Paris. Eine erste Lieferung mit rund 200.000 Impfdosen sei im Land bereits eingetroffen.

Wie Attal sagte, hält die Regierung auch am Impfstoff von AstraZeneca fest. Der Sprecher räumte aber ein, dass es Zweifel in der Bevölkerung an diesem Impfstoff gebe. Frankreich mit seinen rund 67 Millionen Einwohnern ist stark von der Coronavirus-Pandemie betroffen - es starben annähernd 100.000 Menschen.

AstraZeneca: Dänemark stoppt dauerhaft

Nach einem temporären Impfstopp hat Dänemark nun die Impfungen mit AstraZeneca dauerhaft eingestellt, wie das Gesundheitsministerium bestätigte. Das werfe die Impfkampagne um einige Wochen zurück, hieß es weiter. Dänemark schloss aber nicht aus, das Vakzin zu einem späteren Zeitpunkt wieder einzusetzen. Auch das Mittel von Johnson & Johnson soll der Zeitung "Politiken" zufolge in Dänemark vorübergehend nicht verabreicht werden.

Damit handelt Dänemark klar gegen die Empfehlung der Europäischen Arzneimittelbehörde, die das Vakzin von AstraZeneca weiterhin als sicher ansieht.

Mehrere EU-Länder impfen nicht mit Johnson & Johnson

Neben Österreich und Dänemark setzen auch die Niederlande, Schweden und Italien das Vakzin vorerst aus. Zunächst müsse mehr über mögliche Thrombosen bekannt sein, teilte etwa der niederländische Gesundheitsminister Hugo de Jonge am Mittwoch in Den Haag mit.

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