1 Warum wird der Impfstoff von AstraZeneca so heftig diskutiert?

Berichtet wurde über Nebenwirkungen nach Impfungen bei Spitalspersonal in Schweden, regional wurde dort die Verabreichung des AstraZeneca-Impfstoffs kurzzeitig ausgesetzt, dann aber wieder aufgenommen. Auch beim österreichischen Gesundheitspersonal formiert sich Widerstand: Kritikpunkte sind die geringere Wirksamkeit des schwedisch-britischen Vakzins sowie der geringere Schutz des Impfstoffes vor der südafrikanischen Mutante.

Neueste Studiendaten zeigen: "Die Daten aus Israel und Schottland, die vor allem die Impfstoffe vom Biontech/Pfizer und AstraZeneca betreffen, zeigen, dass beide in der Bevölkerung, also im realen Leben sehr gut wirken", sagt Florian Krammer, Forscher am New Yorker Mount Sinai Hospital. Die Impfstoffe würden in der Population ähnlich gut wirken, wie in den Phase-III-Studien. "Diese Daten sind meist etwas besser als im realen Leben. Die Effektivität ist bei diesen Impfstoffen aber fast gleich, wie die neuen Daten zeigen. Eine sehr positive Nachricht."

2 Wirkt der Astra-Zeneca-Impfstoff generell schlechter?

Zuerst eine kurze Erklärung: Bei der Wirksamkeit handelt es sich um einen Vergleich des Erkrankungsrisikos zwischen Geimpften und Ungeimpften. Hier weist AstraZeneca in Bezug auf milde und moderate Verläufe einen geringeren Wert auf (70 Prozent), als die beiden mRNA-Vakzine (etwa 95 Prozent). Aber: „Alle drei aktuell in der EU zugelassenen Impfstoffe können zu annähernd 100 Prozent schwere Covid-Erkrankungen verhindern“, sagt Markus Zeitlinger (Med Uni Wien) – das sei das wichtigste Ziel in der Pandemie, damit Patienten nicht ins Krankenhaus müssen und das Gesundheitssystem nicht überlastet werde. 

Anfang März wurde eine britische Studie veröffentlicht, die den Vakzinen von AstraZeneca und Biontech/Pfizer eine hohe Effektivität zuspricht. Vier Wochen nach der ersten Dosis hätten Geimpfte im Alter ab 70 Jahren rund 57 bis 73 Prozent weniger Covid-19-Erkrankungen gehabt als Ungeimpfte, teilte die Gesundheitsbehörde Public Health England mit. Noch besser als bei Covid-19 ist der Analyse zufolge mit etwa 80 Prozent die Wirkung bei den Krankenhausaufenthalten.

Aber, wichtiger Hinweis: Diese Daten sind "pre-print", wurden also noch nicht von unabhängigen Experten überprüft. "Im Prinzip sind diese Daten sehr interessant", sagt Herwig Kollaritsch, Mitglied des Nationalen Impfgremiums. "Halten sie einer Analyse von Experten stand, dann ist es gut möglich, dass wir die Empfehlung in Bezug auf AstraZeneca anpassen." 

3 Wird der Impfstoff von AstraZeneca ohne Altersbeschränkung verimpft? 

Ja, am Freitag hat das nationale Impfgremium den Impfstoff von AstraZeneca auch für Menschen über 64 Jahren empfohlen. Bis dahin wurde der Impfstoff vorrangig an Menschen zwischen 18 und 64 Jahren zu verimpft. Die Entscheidung beruhte darauf, dass nur Studiendaten verfügbar waren, die die Wirksamkeit der Impfung für Menschen bis 64 Jahre belegen, so Kollaritsch. Wie gesagt, die Datenlage ändert sich mit der oben erwähnten Studie. 

4 Was unterscheidet AstraZeneca von den beiden anderen zugelassenen Impfstoffen?

Im Gegensatz zu den Impfstoffen von Biontech/Pfizer und Moderna, welche beide mRNA-Impfstoffe sind, handelt es sich bei AstraZeneca um einen Vektor-Impfstoff: Ein für den Menschen ungefährliches Virus wird als „Transporter“ für den Bauplan eines Eiweiß auf der Oberfläche des Coronavirus genutzt. Vorteil des Vektorimpfstoffes ist die einfachere Handhabung. Während der Impfstoff von Biontech/Pfizer bei minus 80 Grad gelagert werden muss, kann jener von AstraZeneca bei Kühlschranktemperatur gelagert werden.

Alle drei bislang in Österreich zugelassen Impfstoffe müssen in zwei Dosen verimpft werden. Biontech/Pfizer und Moderna werden im Abstand von drei bzw. vier Wochen verabreicht, bei AstraZeneca verbessert ein Abstand von zwölf Wochen die langfristige Wirksamkeit. Jedoch: Schon drei Wochen nach der ersten Impfdosis baut sich die Schutzwirkung auf und bleibt bis zur zweiten Impfung bestehen.

5 Wie sieht es mit Impfreaktionen aus?

Bei AstraZeneca sind bisher die meisten Impfreaktionen gemeldet worden. Gezählt wurden 14,9 pro 1.000 Impfungen, wie das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen berichtete. Beim Vakzin von Biontech/Pfizer lag die Rate bei 3,79 und jener von Moderna bei 5,71. Am häufigsten traten Kopfschmerzen, Fieber, Müdigkeit und Schmerzen an der Impfstelle auf.

6 Was weiß man schon zur Wirkung gegen mutierte Virusvarianten?

Während alle drei Impfstoffe sehr gut gegen die britische Virus-Variante wirken, zeigt der AstraZeneca-Impfstoff nur begrenzten Schutz bei einer mild verlaufenden Infektion mit der südafrikanischen Variante. Dies haben erste Ergebnisse einer Studie der Universität Witwatersrand und der Uni Oxford ergeben. Untersucht wurden milde und moderate Verläufe, keine schweren. Vermutet wird, dass die beiden mRNA-Impfstoffe gegen die Südafrika-Variante wirksamer sind, allerdings gibt es hier erst Labordaten und keine klinischen Studien. Laut dem Virologen Florian Krammer wäre es eine Strategie, nach einer ersten Dosis AstraZeneca eine zweite mRNA-Dosis zu verimpfen – das müsse aber erst in Studien untersucht werden.

7 Was bedeuten all diese Informationen für meine persönliche Impfentscheidung?

Die Impfentscheidung muss jeder selbst treffen. Zeitlinger sagt: „Wenn ich die Wahl habe zwischen keiner Impfung und dem Impfstoff von AstraZeneca, würde ich immer die Impfung wählen.“ 

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