Eine neue Variante des Coronavirus, die erstmals in Großbritannien aufgetreten ist, sorgt global für Sorge: Gegenüber der Kleinen Zeitung erklärt Top-Forscher Josef Penninger, welche der insgesamt 17 Mutationen, die in dieser einen Virusvariante auftauchen, ihm Sorgen bereiten und was diese für Reinfektionen bedeuten könnten.

"Prinzipiell müssen wir sagen: Wir kennen schon rund 12.000 genetische Veränderungen des Coronavirus", sagt Penninger, der sich momentan in Österreich aufhält. Wie für andere Experten ist auch für ihn das Erstaunliche an dieser Virusvariante: "Es gibt plötzlich 17 Mutationen in einer Variante. Das ist evolutionär schwer erklärbar, außer dadurch, dass eine Person das Virus sehr lange Zeit im Körper hatte und so als Virusinkubator wirkte." Diese Spekulation haben auch britische Experten: So könnte zum Beispiel ein Patient mit unterdrücktem Immunsystem das Virus sehr lange im Körper getragen haben, so könnte ein Virus so viele Mutationen gesammelt haben.

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In dieser Variante sind laut Penninger drei Mutationen relevant: Eine davon sitzt direkt dort, wo die Ansteckung passiert: An der Stelle, wo das Spike-Protein des Virus an den Rezeptor ACE2 – das Eintrittstor, das das Virus in unseren Körper nutzt – bindet. "Von früheren Experimenten wissen wir, dass das Virus durch diese Mutation viel besser binden kann. Daher die Sorge – aber das muss noch sorgfältig getestet werden – dass diese Mutation das Virus infektiöser macht", sagt Penninger. Laut dem Virenexperten gibt es noch kein Anzeichen dafür, dass die Variante eine schlimmere Covid-19-Erkrankung auslöst - aber es könne gut sein, dass die Variante infektiöser ist.

Josef Penninger, Genetiker
Josef Penninger, Genetiker © IMBA

Eine zweite Mutation sitze genau dort, „wo das Virus quasi die Hand ausstreckt und die Eintrittstür öffnet“, erklärt Penninger – auch das deute daraufhin, dass diese Variante infektiöser ist. Die dritte Mutation wiederum sei bereits in Nerzen aufgetreten und war der Grund, warum in den Niederlanden Millionen Tiere getötet wurden. Die Sorge, die mit dieser Mutation einhergeht, ist: "Diese Mutation könnte dazu führen, dass das Virus von unserem Immunsystem nicht mehr so gut erkannt wird. Wenn ich schon Covid-Antikörper habe, weil ich eine Erkrankung durchgemacht habe, verhindern diese Antikörper eine weitere Erkrankung, wenn ich wieder in Kontakt mit dem Virus komme. Die Mutation, die in den Nerzen aufgetreten ist, führt aber dazu, dass unser Immunsystem das Virus nicht mehr so gut neutralisieren kann", erklärt Penninger. Diese Mutation ist nun auch in der Virus-Variante in England aufgetaucht und könnte theoretisch dazu führen, dass sich Menschen erneut mit dem Virus anstecken können. 

„Daher bereitet diese neue Variante Sorgen – vielleicht sind diese gar nicht berechtigt, aber wir müssen das sorgfältig anschauen“, so Penninger. "Wir wissen noch zu wenig, aber diese Virus-Variante ist schon „interessant.“

Drosten: "Sieht nicht gut aus"

In einem aktuellen Artikel kommen auch Experten der englischen Gesundheitsbehörde Public Health England (PHS) zum Schluss, dass die neue Variante das Coronavirus sehr wahrscheinlich leichter übertragbar macht. Sie verweisen dabei auf Erbgut-Untersuchungen der neuen Variante und auf Modellrechnungen zur Ausbreitung. Eine der 17 Mutationen der neuen Variante B.1.1.7 dürfte insbesondere dazu beitragen, dass das Virus leichter übertragen werden könne.

Der deutsche Virologe Christian Drosten schrieb zu den PHS-Daten: "Das sieht leider nicht gut aus." Positiv sei aber, dass B.1.1.7-Fälle bisher nur in Gebieten zugenommen haben, wo die Gesamtinzidenz hoch oder ansteigend war. "Kontaktreduktion wirkt also auch gegen die Verbreitung der Mutante", schreibt Drosten.

Den PHS-Forschern macht insbesondere eine Mutation mit der Bezeichnung N501Y Sorgen. Sie könnte den Daten zufolge dafür sorgen, dass das Virus besser an Zielzellen andocken kann. Zudem liege die Mutation an einer Stelle, an der auch bestimmte Antikörper des Menschen angreifen, um das Virus auszuschalten. "Deshalb ist es möglich, dass solche Varianten die Wirksamkeit beim Neutralisieren des Virus beeinflussen."

Eine Einschätzung zu den neuen Daten liefert auch der österreichische Mutationsforscher Andreas Bergthaler via Twitter:

Er kommt zum Schluss, dass die neuen Daten den Verdacht erhärten, dass diese Virus-Variante ansteckender ist, unterstreicht aber auch, dass weitere Untersuchungen notwendig sind, um wirklich zu verstehen, was die genetischen Veränderungen für Immunität und Impfschutz bedeuten.

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