38 Millionen Menschen leben weltweit mit einer HIV-Infektion. 67 Prozent der Betroffenen haben bisher Zugang zu den wirksamen antiretroviralen Medikamenten. Eine völlig neue Chance könnten jetzt lang wirksame, injizierbare Anti-HIV-Arzneimittel sowohl in der Therapie als auch in der Prophylaxe von Aids-Infektionen bieten, wie UNAIDS konstatiert hat. In der EU sind sie bereits für die Zulassung empfohlen.

Seit Mitte der 1990er-Jahre stehen hoch wirksame antiretrovirale Medikamente bzw. Wirkstoffkombinationen zur Verfügung. Doch sie müssen täglich oral eingenommen werden, um die HIV-Viruslast im Körper am besten unter die Nachweisgrenze zu drücken und so die Schädigung des Immunsystems zu verhindern. Das stellt - nicht nur in vielen ärmeren Regionen der Welt mit fragilem oder nicht existierendem Gesundheitssystem - eine Herausforderung dar. In Deutschland als Beispiel geht man auch zum Welt-Aids-Tag 2020 am kommenden Dienstag (1. Dezember) davon aus, dass nur 88 Prozent der HIV-Infektionen diagnostiziert sind. 95 Prozent der Betroffenen stehen in Therapie, aber wiederum nur bei 95 Prozent von ihnen ist das Virus nicht mehr nachweisbar. Auch das könnte noch verbessert werden.

Zwei neue Medikamente als Spritze

Leichtere Einnahmemodalitäten für wirksame Aids-Medikamente könnten sowohl für die Logistik der Versorgung der Betroffenen als auch für die Therapietreue der Aids-Patienten die Situation verbessern. In diesem Zusammenhang ist offenbar vor kurzem eine potenziell wesentliche Neuerung sprichwörtlich "untergegangen": Am 16. Oktober hat der Expertenausschuss für Humanarzneimittel der Europäischen Arzneimittelbehörde (EMA) die Marktzulassung zweier injizierbarer HIV-Präparate empfohlen. Es handelt sich bei den Wirkstoffen um den Reverse-Transkriptasehemmer (NNRTI) Rilpivirin und um einen neuen sogenannten Integrasehemmer (Cabotegravir). Reverse-Transkriptase-Blocker hemmen das Umschreiben der RNA-Erbsubstanz in infizierten Zellen in eine DNA, Integrasehemmer blockieren den anschließenden Schritt des Einbaus der DNA in den Zellkern. Beides soll die Virusreplikation unterdrücken.

Der Vorteil des neuen Therapiekonzepts liegt vor allem in der langen Wirksamkeit der Arzneimittel in Kombination. "Beide Medikamente werden monatlich oder alle zwei Monate intramuskulär injiziert. Zusammen bilden sie eine neue langwirksame antiretrovirale Therapie", hieß es in der deutschen Pharmazeutischen Zeitung.

In der Behandlung einer HIV-Infektion könnten die Medikamente einen weiteren Schritt für eine zuverlässige Langzeit-Unterdrückung der Aids-Erreger darstellen. "Die Kombination der beiden Präparate ist zur Erhaltungstherapie von Erwachsenen vorgesehen, die mit ihrer derzeitigen antiretroviralen Behandlung nicht nachweisbare HIV-Spiegel im Blut (Viruslast weniger als 50 Kopien/Milliliter Blut) aufweisen und bei denen das Virus nicht gegen NNRTI oder Integrase-Hemmer resistent ist.

Beide Arzneistoffe stehen in einer lang wirkenden injizierbaren Formulierung zur Verfügung. Das bedeutet, dass HIV-1-infizierte Patienten anstelle einer täglichen Einnahme monatlich oder alle zwei Monate intramuskuläre Injektionen erhalten können", schrieb die deutsche Apothekerzeitung. Die langfristige Unterdrückung der Viruslast führt auch dazu, dass es zu keinen weiteren Infektionen mit HIV kommen kann.

Schutz vor neuen Ansteckungen

Die Therapie ist aber nur ein Punkt. Mit dem HIV-Integrase-Hemmer Cabotegravir könnte nämlich auch eine wirksamere Möglichkeit zur medikamentösen Prophylaxe neuer Infektionen mit dem Aids-Erreger zur Verfügung stehen. Erst vor kurzem wurden die Ergebnisse einer klinischen Studie mit 3.200 Frauen im Alter zwischen 18 und 45 Jahren in Botswana, Kenia, Malawi, Südafrika, Uganda und Zimbabwe publiziert. Verglichen wurde die tägliche Einnahme von oralen Medikamenten zur Verhinderung einer HIV-Infektion und eine Injektion mit Cabotegravir alle zwei Monate.

Die Ergebnisse wurden von UNAIDS als großer Erfolg gefeiert: "Die Studie zeigt, dass lang wirksame Injektionen zur Verhinderung von HIV bei Frauen im südlichen Afrika um 89 Prozent wirksamer als die tägliche Tabletteneinnahme war", schrieb die Organisation.

Die wissenschaftliche Untersuchung war wegen des sich abzeichnenden großen Erfolges frühzeitig abgebrochen worden. In der Gruppe der Frauen, die eine Prophylaxe in Tablettenform eingenommen hatten, waren 34 Infektionen mit HIV registriert worden. In der Vergleichsgruppe mit den injizierbaren Medikament waren es nur vier Fälle.

"Ergebnisse von großer Bedeutung"

"Diese Ergebnisse sind von größter Bedeutung. UNAIDS hat seit langem zusätzliche von den Menschen auch angenommene und wirksame Möglichkeiten zur HIV-Prävention gefordert. Das hier könnte ein 'Game Changer' sein", erklärte UNAIDS-Generaldirektorin Winnie Byanyima. "Wenn Geber und Staaten jetzt in die Gewährleistung des Zugangs zu der injizierbaren Prophylaxe für Frauen mit einem höheren Risiko für eine HIV-Infektion investieren würden, könnte die Zahl neuer Infektionen dramatisch reduziert werden."

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