Der Mensch ist eigentlich für 10.000 bis 15.000 Schritte pro Tag veranlagt – doch heutzutage, mit einem Alltag, der sich vor allem im Sitzen abspielt, schaffen wir durchschnittlich gerade noch ein Zehntel dieser Schrittzahl. „Menschen, die sich zu wenig bewegen, altern schneller“, sagt Bernd Haditsch, Umweltmediziner und Leiter des Gesundheitszentrums für Vorsorgeuntersuchungen der Österreichischen Gesundheitskasse in Graz.

Im Gegenzug wirkt Bewegung wie ein Medikament gegen die Erkrankungen unserer Wohlstandsgesellschaft: Bewegung senkt den Blutdruck, schützt vor Zuckerkrankheit (Diabetes) sowie vor Krebs. „Bewegung lindert Schmerzen, stützt und schützt die Psyche“, sagt Haditsch. Und: Bewegung stärkt auch unsere Immunkräfte.

Muskelarbeit stärkt Immunabwehr

Diese Wirkung beruht auf Mechanismen, die durch die Arbeit der Muskulatur angeregt werden: Ist unsere Muskulatur aktiv, werden entzündungshemmende Substanzen (Zytokine) ausgeschüttet, ebenso werden die Stresshormonereguliert sowie immunaktive Zellen, zum Beispiel die natürlichen Killerzellen, freigesetzt. Menschen, die regelmäßig Sport treiben, sind deshalb weniger anfällig für Infekte – „solange wir es nicht übertreiben“, sagt Haditsch, denn exzessive sportliche Belastung bewirkt das Gegenteil, macht uns anfälliger für Infekte und schwächt die Immunabwehr.

Ein weiterer Effekt von regelmäßiger Bewegung: Das sogenannte „braune Fettgewebe“, das Wärme im Körper erzeugen kann und Neugeborene und Kleinkinder vor dem Auskühlen schützt, kann von Erwachsenen durch Bewegung und Kältereize „wiedergewonnen“ werden, wie Haditsch erklärt. Der Benefit: Braunes Fettgewebe spielt eine bedeutende Rolle im Energiehaushalt und bei der Infektabwehr.

In welcher Dosis?

Wenn Bewegung wie Medizin wirkt – in welcher Dosis braucht es sie dann? „Es muss gar nicht Sport, schon gar nicht Leistungssport sein“, sagt Haditsch und warnt davor, den Stress der Arbeit mit in die Freizeit zu nehmen. Nach den Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation sollten es 150 Minuten Bewegung pro Woche sein, und zwar mit einer Intensität, dass man „ein bisschen ins Schwitzen, ein bisschen ins Schnaufen kommt“. Doch auch für den Alltag gilt: Jeder Schritt zählt! „Bewegung regelmäßig und mit Freude in den Alltag integrieren: Stiegen steigen, das Auto weit weg parken, eine Straßenbahnhaltestelle früher aussteigen und zu Fuß gehen“, schlägt Haditsch vor, der selbst das ganze Jahr zur Arbeit radelt.

Regelmäßige Bewegung trägt maßgeblich dazu bei, gesund alt zu werden – „und das gilt bereits von Kindesbeinen an“, sagt Haditsch. Es sei zum Beispiel nachgewiesen, dass der Lernerfolg in der Schule von regelmäßigem Sport positiv beeinflusst wird. Bewegung hilft außerdem dabei, Stress abzubauen– und Stress hemmt bekanntlich die Immunabwehr. „Wenn Kinder dieses Ventil bereits während der Schulzeit kennenlernen, haben sie für ihr Berufsleben ein wertvolles Werkzeug, um mit ungünstigem Stress umzugehen“, sagt Haditsch.

Vorsorgemediziner Bernd Haditsch
Vorsorgemediziner Bernd Haditsch © kk

Muskelmasse ist Kapital fürs Alter

Je älter wir werden, umso wichtiger wird auch das Krafttraining: „Die Muskelmasse ist das Kapital fürs Älterwerden, die Muskelaktivität schützt vor Infekten“, sagt Haditsch. Und spricht noch eine weitere Wirkung des Medikaments Bewegung an: „Bewegungsmangel und Vereinsamung sind die Hauptfaktoren für das Fortschreiten einer Demenzerkrankung. Bewegung spielt eine zentrale Rolle in der Demenzvorsorge“, sagt Haditsch.

Das Fazit des Experten: „Körperliche Aktivität ist die vielleicht bedeutendste Lebensstil-Maßnahme, um die Infektabwehr zu stärken, denn die Muskelarbeit sendet mannigfaltige gute Signale an unser Immunsystem.“

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