Am 30. Mai feierte Didi Constantini Geburtstag, er ist jetzt 65. Dieses Alter bedeutet für sehr viele Bürger in Österreich den Eintritt in den sogenannten Ruhestand. Für den ehemaligen Teamchef der österreichischen Fußball-Nationalmannschaft jedoch hatte das Leben schon früher einen radikalen Bruch vorgesehen. Nach einem Geisterfahrer-Unfall ereilte den Tiroler im vergangenen Jahr die gespenstische Diagnose Demenz. Die Familie wagte umgehend den Schritt an die Öffentlichkeit.

Abseits, aus der Sicht einer Tochter. Von Johanna Constantini. Das Buch erscheint im September. ca. 240 Seiten, Seifert Verlag
Abseits, aus der Sicht einer Tochter. Von Johanna Constantini. Das Buch erscheint im September. ca. 240 Seiten, Seifert Verlag © KK

Doch wer nun glaubt, dass dieses Urteil gleichzusetzen ist mit lebenslänglicher Isolation in der eigenen Geisteswelt, der irrt. "Die Leute verbinden mit der Demenz, dass die Betroffenen sofort nicht mehr wissen, wer sie selbst und wer alle anderen sind, aber das ist natürlich nicht der Fall", sagt seine Tochter Johanna Constantini, eine Psychologin, die ein Buch über dieses Familienschicksal geschrieben hat. Der Titel lautet, in Anlehnung an die Profession des Vaters, "Abseits", aus der Sicht einer Tochter. Das Werk jedoch, das im September erscheint, soll genau das Gegenteil bewirken, nämlich helfen, dieser vermeintlich unausweichlichen Position zu entkommen.

Andere Dimension

Denn es kommt auch auf die Haltung an, jene des Erkrankten selbst, aber vor allem die der Umwelt. "Ich will dazu beitragen, dass die Menschen sich nicht verstecken", sagt Johanna Constantini. Verfasst  habe sie das Buch zunächst in erster Linie aus dem Verlangen heraus, das Erlebte niederzuschreiben. "Es waren die Geschehnisse, der Unfall und die Zeit danach", erzählt die 27-Jährige. Am Beginn stand demnach die persönliche Aufarbeitung des Geschehens. Aber es auch verlegen zu lassen und das Innerste einer breiten Öffentlichkeit preiszugeben, liegt in einer anderen Dimension.

Und so verstrich eine lange Zeit, bis die Idee reifte, die Geschichte einem Verlag anzubieten. Angetrieben wurde die Autorin unter anderem von der Umgebung. "Die Leute haben sich nach ihm erkundigt. Es gibt Menschen, die verschwinden einfach von der Bildfläche und niemand fragt mehr nach. Das war schon eine Riesenmotivation. Durch die Anteilnahme habe ich gemerkt, dass man damit auch für andere Betroffene etwas bewirken kann." So sollen Hemmschwellen überwunden werden, in beide Richtungen. Der definitive Rückzug könnte den Verlauf beschleunigen, die Aufrechterhaltung sozialer Kontakte den Prozess verlangsamen.

Sehr aktiv

Dietmar "Didi" Constantini geht es angesichts der Umstände gut, das belegen die Erzählungen der Tochter. "Er spielt Golf und er fährt auch, wenn er Lust hat, zu seinen Fußballcamps", die nach der Corona-Pause wieder in Gang kommen sollen. Die Zeit der Pandemie war kein Einschnitt. "Da muss man dazusagen, dass wir wohl privilegierter sind als andere. Die Eltern wohnen im Stubaital, da liegt der Wald gleich hinterm Haus, der Papa geht in der Früh laufen oder spazieren." Auch Essen mit Freunden sowie die Pflege der Stammtischrunde gehören zu den regelmäßigen Ritualen.

Gerüchte über seine Erkrankung hatten schon länger die Runde gemacht. "Sie waren dem Rückzug geschuldet", meint die Tochter, die erstaunt war, dass niemand darüber berichtet hat. Sie schreibt diesen Umstand der Diskretion der Journaille der Rolle ihres Vaters als "Sympathieträger" zu. Auch auf ein weiteres Didi Constantini gern angehängtes Attribut kommt Johanna zu sprechen, nämlich jene des "unangreifbaren Sunnyboys". "Er ist ein Paradebeispiel dafür, dass es jeden treffen kann."

Offensive selbst befürwortet

Der Weg ins Freie, also die Öffentlichkeits-Offensive, sei auch vom Vater selbst goutiert worden. "Er hat das befürwortet, damit auch andere am Leben weiterhin teilnehmen, das ist sein Motiv, dafür würde er auch einstehen", sagt Johanna. Der Einschnitt in der Innenwelt darf nicht dazu führen, von der Außenwelt abgeschnitten zu werden. Und es geht auch um Enttabuisierung. "Ich habe große Hochachtung vor meinem Papa. In seiner Generation hat man über solche Themen nicht so gesprochen." So wird der Fußballtrainer Didi Constantini auf besondere Weise indirekt zum Betreuer der "Mitspieler"