Das Großraumbüro als Hort der Ansteckung? Was viele Großraumbüro-Arbeiter wohl schon gefürchtet haben, wurde nun durch eine Studie in Südkorea zum neuartigen Coronavirus bestätigt: In einem überfüllten Callcenter steckte ein mit dem Coronavirus infizierter Mitarbeiter 94 weitere Menschen und damit gut die Hälfte seiner Kollegen an – und das, obwohl das Gebäude bereits einen Tag nach dem positiven Testergebnis geschlossen wurde. „In diesem Büro sind die Mitarbeiter sehr eng nebeneinandergesessen – das ist fast eine ähnliche Gefährdungssituation wie bei einer Großveranstaltung“, sagt Hans-Peter Hutter, Facharzt für Hygiene und Mikrobiologie an der MedUni Wien.

Das Großraumbüro fällt unter das übergeordnete Thema Ansteckungsrisiken in Innenräumen: „Dort fehlt der Verdünnungsfaktor in der Luft, der im Freien gegeben ist“, sagt Hutter – Viruspartikel, die beim Sprechen, Niesen, Husten oder lauten Lachen ausgeschieden werden, können sich in der Raumluft verteilen und in Form von Aerosolen auch für gewisse Zeit in der Luft schweben. „Daher ist die Funktion der Klimaanlage eines der zentralen Themen rund um die Rückkehr in die Büros“, sagt Arbeitsmedizinerin Eva Höltl – aber auch nur eines von vielen. Höltl leitet nicht nur den wissenschaftlichen Beirat der Akademie für Arbeitsmedizin und Prävention, sondern auch das Gesundheitszentrum der Erste Bank und muss ein Großraumbüro mit mehr als 4000 Mitarbeitern pandemiefit machen.

Prinzipiell gelte: „Je weniger Mitarbeiter ins Büro zurückkehren, umso größer ist die Arbeitsqualität für die Anwesenden und umso weniger Reglementierungen braucht es“, sagt Höltl. Die letzten Wochen hätten gezeigt, dass Bildschirmarbeit sehr gut im Homeoffice geleistet werden kann – daher sei die Not, dass alle sofort zurückkehren, auch nicht so groß.

„Die Empfehlung lautet ja weiterhin: Homeoffice soll, wo es möglich ist, beibehalten werden“, sagt Höltl – natürlich gebe es aber auch unter Mitarbeitern gute Gründe für die Rückkehr: Zu Hause lassen sich Arbeit und Kinder nicht so leicht unter einen Hut bringen oder der Arbeitsplatz im Wohnzimmer ist eine ergonomische Zumutung.

Wurden für Branchen wie die Gastronomie vom Ministerium sehr klare Vorgaben zu Hygienebestimmungen erlassen, fehlen diese bis dato für große Büros, was Umweltmediziner Hutter kritisiert – daher müssten Firmen nun selbst Konzepte entwickeln. „Der Infektionsschutz muss neu gedacht werden, da wir die Mitarbeiter ja auch nicht auf ihre Arbeitsplätze beamen können und sie dort den ganzen Tag sitzen bleiben“, sagt Höltl. Was gilt auf Gängen, wie kann die Händehygiene gewährleistet werden, was ist in der Kantine zu beachten – und wie können Besprechungen in Pandemie-Zeiten ablaufen?

Dünn besiedelt, um Abstand zu wahren

Um den notwendigen Abstand einhalten zu können, sollten die Büros dünner besiedelt und zumindest zwei Meter Abstand zwischen den anwesenden Kollegen sein. „Sind nur wenige Mitarbeiter im Büro, ist auf dem Arbeitsplatz das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes nicht notwendig“, sagt Höltl – anders sei das aber in Gängen, in der Kantine oder in Aufzügen, wo der Abstand nicht immer gewährleistet werden kann.

„Wenn man sich in Innenräumen nahe kommen muss, geht das nur mit Mund-Nasen-Schutz“, sagt Hutter. Die größte Ansteckungsgefahr herrsche, wenn man über einen längeren Zeitraum (ab 15 Minuten) engen Kontakt (unter zwei Metern) mit Mitmenschen hat.

„Die anspruchsvollsten Diskussionen wurden daher zum Thema Meetings geführt“, sagt Höltl. Aus Untersuchungen weiß man, dass die meisten Infektionsketten mit dem Coronavirus dort ihren Anfang haben, wo mehrere Menschen über längere Zeit in einem Raum mit schlechter Belüftung sind. „Dort steht die Luft mit dem Virus drin“, beschreibt Höltl – daher gelte für Innenräume: je verdünnter die Luft, desto besser. Für Meetings bedeutet das: nur jene abhalten, die wirklich notwendig sind, mit so wenig Leuten wie möglich und in Räumen mit sehr guter Durchlüftungssituation.

„Wir haben nun viele Außenbereiche möbliert und empfehlen, sich dort zu treffen“, sagt Höltl. In der warmen Jahreszeit mag das eine angenehme Abwechslung sein – wie soll es aber in Herbst und Winter weitergehen, wenn eventuell eine zweite Welle der Pandemie auf uns zukommt?

Bei Symptomen: zu Hause bleiben!

„Wir wissen alle nicht, wie es weitergeht, aber: Das Allerwichtigste ist, dass Mitarbeiter, wenn sie auch nur die banalsten Erkältungssymptome haben, nicht in die Arbeit kommen“, sagt Höltl. Die Arbeitsmedizinerin ist jedenfalls überzeugt: Das Homeoffice wird uns weiter begleiten, Firmen sollten nicht den Ehrgeiz haben, möglichst viele Mitarbeiter wieder zurückzubringen, sondern das Führen aus der Ferne üben.
Generell könnte die Covid-Pandemie dazu führen, dass Infektionsschutz und die Gestaltung von großen Bürogebäuden neu gedacht werden, sagt Höltl: „Die Lösung wird wohl darin liegen, eine Balance zwischen Teamarbeit und Rückzugsmöglichkeiten zu schaffen.“