Wann gibt es ein Medikament, wann eine Impfung gegen das neuartige Coronavirus? Diese Frage treibt die ganze Welt um – und führt zu einem beispiellosen Wettlauf in der Forschung: Noch nie habe man so schnell auf einen neuen Erreger reagiert, heißt es von der Pharmig, dem Verband der forschenden Industrie in Österreich. Was nun passiert ist, dass Pharmaunternehmen auf der ganzen Welt ihre Wirkstoff-Datenbanken durchforsten, ob es im Sortiment bereits ein Medikament gibt, dass auch gegen das neue Virus SARS-CoV-2 helfen könnte.

Findet man ein bereits zugelassenes Medikament, kann man den Entwicklungsprozess entscheidend abkürzen: Im Normalfall dauert es bis zu 13 Jahre, bis ein neues Medikament auf den Markt kommt – es muss Tierversuche, Sicherheitstests, Untersuchungen zur Wirksamkeit an zehntausenden Patienten passieren. Bei einem schon zugelassenem Medikament ist die Sicherheit schon geklärt – es muss nur noch für den neuen Anwendungsbereich, in diesem Fall Covid-19, getestet werden.

Deutlich mehr zur Wirksamkeit von erprobten Medikamenten in Bezug auf Covid-19-Erkrankungen werde man schätzungsweise in ein "einem halben Jahr bis einem Jahr" wissen, so Stefan Kähler von der Pharmig. Dieser "Off-Label-Use" habe den Vorteil, dass "man nicht bei der Grundlagenforschung, sondern meistens bei Phase III-Studien" beginne, in der es nach mehrere vielversprechenden Heilversuchen um die Bestätigung der vermuteten Wirkung geht.

Im Endeffekt wird es für die vielversprechendsten Wirkstoffkandidaten eine "bedingte und befristete Zulassung" ("Conditional approval") geben. Sollte die öffentliche Gesundheit bedroht sein, erhält man diese für ein Jahr, gleichzeitig muss weiter zur Wirksamkeit, Sicherheit und Co geforscht werden.

Geduldsprobe für Ärzte

Eine Geduldsprobe ist die Zeit bis zur zugelassenen Therapie vor allem für Ärzte, die Covid-19-Patienten behandeln wollen: Die Basis ist hier die intensivmedizinische Betreuung – Patienten werden beatmet, Organe, die versagen, werden durch Maschinen ersetzt. Und es werden seit Beginn des Ausbruchs Medikamente experimentell eingesetzt. Man konnte hier auf wenige Erfahrung mit dem Coronavirus MERS zurückgreifen – auf dieser Basis werden zum Beispiel ein HIV-Medikament, ein altes Malaria-Medikament (Chloroquin), ein neuer antiviraler Wirkstoff namens Remdesivir in Studien an Patienten getestet.

Ein Balance-Akt

Doch: Gesicherte Daten zu Wirkung und Nebenwirkung fehlen, daher gilt es für Ärzte einen Balance-Akt zu meistern: Wie stark bekämpft man das Virus, wie sehr schadet man mit der Therapie dem Patienten? Oder wie es der Intensivmediziner Walter Hasibeder sagt: „Wir wissen nicht, ob die Patienten durch die Krankheit versterben oder ob die Nebenwirkungen der Medikamente den Verlauf verschlechtern.“

Ein weiteres Problem: Werden nun schon vorhandene Medikamente als „Zweitverwertung“ großflächig gegen Covid-19 eingesetzt, kann es zu dramatischen Lieferengpässen für jene Patienten kommen, die diese Medikamente für ihre Grunderkrankungen kommen. Ein Beispiel: Hydroxychloroquin, ein möglicher Hoffnungsträger gegen Covid-19, ist ein Lupus-Medikament und für die Patienten nur noch schwer zu bekommen.

Impfung kann Pandemie stoppen

Medikamente für die Therapie sind das eine – eine Impfung, ist die noch viel notwendigere Errungenschaft, um die Pandemie zu stoppen. Zwei Impfstoffe befinden sich bereits in der klinischen Testphase – doch bis eine Impfung auf den Markt kommen kann, wird es laut Experten mindestens ein Jahr dauern. Der Forscher Florian Krammer geht davon aus, dass es mehrere Impfstoffe von verschiedenen Firmen geben wird müssen, um für den weltweiten Bedarf produzieren zu können. „Doch auch wenn der Impfstoff zugelassen ist, bleiben noch viele Fragen offen: Welche Länder bekommen wie viel Impfstoff? Wird die gesamte Bevölkerung geimpft, oder zuerst nur die Risikopersonen?“, sagt Krammer.

Verpasste Chance

Eine Chance hat die Welt jedenfalls verpasst: Nach dem SARS-Ausbruch 2003 waren bereits Impfstoffe gegen das Coronavirus in Arbeit – doch der Ausbruch wurde gestoppt, damit versiegten auch die Fördergelder für die Forschung. „Deshalb sind wir auf solche Ausbrüche nicht vorbereitet“, sagt Krammer – obwohl es mit SARS und MERS zwei Warnschüsse gegeben hat, hat die Welt nicht hingehört.

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