Ein Leser fragt: Bilder aus Südtirol zeigen, dass dort Straßen desinfiziert werden – ist das notwendig?

Der Hauptübertragungsweg des Coronavirus ist der direkte Kontakt von Mensch zu Mensch. „Dass man ganze Straßenzüge mit Desinfektionsmittel besprüht, mag medienwirksam sein“, sagt Infektionsspezialist Bernhard Haas (Kages) im Podcast „Corona-Update“ der Kleinen Zeitung. „Es ist aber wenig effizient, um die Infektionsketten zu unterbrechen.“ Sinnvoller sei es, jene Gegenstände im öffentlichen Leben zu reinigen oder zu desinfizieren, die Menschen häufig angreifen – Haltestangen in Öffis oder Türgriffe an öffentlichen Gebäuden zum Beispiel.

Wie lange bin ich ansteckend?

80 Prozent der Erkrankungsfälle von Covid-19 verlaufen mild, dabei haben

  • 88 Prozent der Betroffenen Fieber,
  • 68 Prozent trockenen Husten,
  • 19 Prozent Kurzatmigkeit,
  • fünf Prozent haben Schnupfen.

Die Symptome treten nach durchschnittlich fünf Tagen auf, man ist aber schon zwei Tage davor ansteckend. Bei milden Verläufen bleibt man ab Beginn der Symptome für zwölf Tage ansteckend. Doch zu diesem Zeitpunkt muss man schon drei Tage fieberfrei sein, Husten und Schnupfen müssen sich zurückgebildet haben, damit man Mitmenschen nicht gefährdet. Menschenansammlungen und Kontakte zu Immungeschwächten sollen auch noch nach diesem Zeitraum vermieden

Kann ich mich beim Einkaufen anstecken?

Die Antwort des Experten Bernhard Haas, Infektionsspezialist der steiermärkischen Krankenanstaltengesellschaft: Prinzipiell ist jeglicher soziale Kontakt ein Risiko für eine Ansteckung, auch das Einkaufen. Aber ich brauche Lebensmittel, das kann ich nicht auf null fahren – aber alle übrigen sozialen Kontakte müssen wir einschränken. Daher ist es jetzt sinnvoll, nicht öfters am Tag für kleine Besorgungen nach draußen zu gehen, sondern eine Liste zu machen: Was brauche ich unbedingt? Und diese Dinge dann für eine Woche einzukaufen.

Kann das Einkaufswagerl ansteckend sein?

Die Übertragung von Viren über unbelebte Gegenstände – das ist theoretisch möglich. Was dazu passieren muss: Eine Person trägt das Virus in sich, hustet nicht wie empfohlen in ein Taschentuch oder in die Ellenbeuge, sondern in die Hand, greift damit das Wagerl an und überträgt Tröpfchen und damit kleinste Viruspartikel auf den Einkaufswagen. Innerhalb einer gewissen Zeit müsste die zweite Person, noch bevor die Tröpfchen eingetrocknet sind, die lebenden Viren mit der Hand  aufnehmen.

Bernhard Haas, Infektionsspezialist der steiermärkischen Krankenanstaltengesellschaft
Bernhard Haas, Infektionsspezialist der steiermärkischen Krankenanstaltengesellschaft © kk

>>> Alle Fragen rund um den Alltag mit dem neuartigen Coronavirus beantworten wir im Podcast "Corona Update". 

Wichtig: Damit die Infektionskette geschlossen wird, muss sich die zweite Person mit der Hand, auf der die Viren sitzen ins Gesicht fahren und den Viren die Eintrittspforte über die Schleimhäute in den Körper gewähren. Wenn ich mir ins Gesicht, fahre an die Lippe, ins Auge, in die Nase, dann gelangen Viren in den Körper. Daher gilt: Wenn ich draußen unterwegs bin und Türklinken, Einkaufswagerl oder Haltegriffe berühre, sollte ich mir möglichst nicht ins Gesicht greifen und sich sofort nach dem Nachhausekommen die Hände gründlich mit Seife waschen. Und ohnehin gilt, die Nies- und Hustenetikette einzuhalten: Niesen und Husten Sie in ein Taschentuch, das Sie gleich entsorgen oder in die Ellenbeugen!

Bringen Handschuhe einen Schutz?

Handschuhe müsste ich sehr oft wechseln, denn über Handschuhe können die Viren genauso übertragen werden wie über die Hände - das ist nicht sinnvoll. Händewaschen ist sinnvoller!

Kann das Virus über die Luft übertragen werden?

Das Virus ist über Tröpfchen übertragbar, die werden beim Husten und Niesen ausgeschieden. Die Tröpfchen können dann eine gewisse Zeit in der Luft schweben – für wenige Minuten, dann sinken sie auf den Boden. Die größte Gefahr für eine Ansteckung ist, wenn ich von einer Person in einem Abstand von 1,5 Metern angeniest oder angehustet werde oder die Person mit mir spricht, denn auch beim Sprechen werden kleinste Tröpfchen ausgeschieden.

Warum darf ich nicht auf den Berg gehen oder an den See fahren?

Die ganze Republik befindet sich im Sparmodus: Wenn ich Freizeit-Aktivitäten ausführe, die weiter weg sind, wenn ich eine Berg- oder Skitour mache, kann es sein, dass ich mich dabei verletze, unter eine Lawine komme und damit Einsatzkräfte binde. Das gilt es zu vermeiden – die Einsatzkräfte werden für die Versorgung und die Diagnostik der Covid-Patienten benötigt. Es geht nicht so sehr um die Ansteckung, sondern darum Einsatzkräfte vor noch mehr Arbeit zu bewahren.

Was kann jeder tun, um die Risikogruppe (Menschen ab 65 Jahren, Menschen mit Vorerkrankungen) zu schützen?

Die Antwort von Bernhard Haas: Wichtig ist: Ältere Menschen und Menschen aus Risikogruppen das Haus oder die Wohnung nicht verlassen und keine Kontakte zu anderen Menschen haben, die sie anstecken könnten. Um diese Menschen zu versorgen, sollten Familienmitglieder oder Nachbarn im Sinne der Nachbarschaftshilfe für ältere Personen die Einkäufe übernehmen - damit ist das größte Infektionsrisiko schon weg, denn wenn ich das Haus nicht verlasse, kann ich mich kaum mehr anstecken.

Kann der Einkauf ein Infektionsrisiko für Ältere sein?

Die Antwort von Bernhard Haas: Wenn sich hilfsbereite, junge Menschen Sorgen machen, bei der Übergabe ein Infektionsrisiko darzustellen, kann ich Entwarnung geben: Die Wahrscheinlichkeit über das Einkaufssackerl jemanden anzustecken, ist extrem gering. Man sollte darauf achten, sich nicht in die Hand zu husten oder zu niesen, wenn man mit den Produkten hantiert. Am besten stellt man den Einkauf oder das Sackerl vor die Tür, geht in die eigene Wohnung, ruft die ältere Person an und sagt: Der Einkauf steht vor der Tür. Die ältere Person kann das übernehmen, die Waren einräumen - aber nach dem Hantieren mit dem Sackerl und den Einkäufen sollte sich die ältere Person einmal gründlich die Hände mit Seife waschen. Damit sind ausreichend Schutzmaßnahmen getroffen.

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