Inwieweit können die getroffenen Maßnahmen die Ausbreitung verlangsamen?
HEINZ BURGMANN: Wir sehen in mathematischen Modellen, dass die Reduktion der sozialen Kontakte sehr gute Auswirkungen hat. Wir wollen ja verhindern, dass zu viele Menschen gleichzeitig krank werden, denn das würde die Gesundheitseinrichtungen an die Grenzen bringen.

Nun zeigen die Berechnungen, dass sich durch die Maßnahmen der Höhepunkt abschwächt – aber die Epidemie länger dauert. Von welchem Zeitraum sprechen wir?
Eine Berechnung aus der Schweiz hat gezeigt: Wenn wir gar nichts machen, hätten wir den Höhepunkt der Epidemie im Mai – dann wären aber extrem viele Menschen krank. Das wollen wir unterdrücken, dadurch wird sich das Ganze länger ziehen – manche Berechnungen sehen voraus, dass es im Herbst eine zweite Welle gibt. Eine definitive Einschätzung ist schwierig, klar ist: Das Coronavirus wird uns über einen längeren Zeitraum begleiten.

Der deutsche Virologe Christian Drosten sagt, dass sich 60 bis 70 Prozent der Bevölkerung mit dem Virus infizieren werden, bevor die Epidemie endet. Ist das die einzige Möglichkeit, damit die Epidemie zu Ende geht?
Es zirkulieren unterschiedliche Zahlen – was klar ist: Eine bestimmte Menge an Menschen muss Antikörper haben, damit die Übertragung gestoppt wird. Momentan trifft das Virus ja eine Bevölkerung, die gar nicht darauf vorbereitet ist. Gleichzeitig passiert die Übertragung sehr einfach – Betroffene sind schon ansteckend, bevor sie Symptome haben. Wir sehen auch, dass Menschen, die eine Infektion durchgemacht haben, Antikörper entwickeln – es entsteht eine Immunität, wie bei jeder Infektionskrankheit. Damit die Epidemie zu Ende kommt, muss das Virus auf Menschen treffen, die immun sind. Dann endet die Ansteckungskette. Ob es wirklich 60 bis 70 Prozent der Bevölkerung sein müssen, können wir noch nicht sagen.

Es soll schon Fälle geben, wo sich Menschen ein zweites Mal angesteckt haben.
Das sind Einzelfälle, die immer auftreten können. Wichtig ist: Wie reagieren 99,9 Prozent der Bevölkerung? Genauso wie es Menschen geben wird, die sich nie infizieren, weil das Virus bei ihnen nicht andocken kann, gibt es auch jene, die mehrmals erkranken.

Wie viele Menschen kann ein Infizierter mit dem Coronavirus anstecken?
Die Rate liegt bei 2 bis 3,5 Menschen – das gilt aber nur, wenn wir keine reduzierenden Maßnahmen setzen. In China konnte man die Zahl auf 0,7 senken – dann kann die Epidemie eingedämmt werden. Zum Vergleich: Bei der Grippe ist die Übertragungsrate etwas geringer, liegt bei 2 bis 2,5 Angesteckte. Bei den Masern kann ein Erkrankter 16 bis 18 weitere anstecken!

Gibt es schon hoffnungsvolle Kandidaten für ein Medikament?
Derzeit werden viele Medikamente ausprobiert: Untersucht werden HIV-Medikamente, ein altes Malaria-Medikament, eines gegen Bauchspeicheldrüsenentzündung, ein Ebola-Medikament. Definitiv sagen können wir es aber erst, wenn es an einer großen Gruppe von Patienten getestet wurde.