Herr Penninger, Sie wurden in Medien schon als Corona-Retter tituliert: Ist die Rettung wirklich so nahe?
JOSEF PENNINGER: Schön wär’s! Ich hoffe es natürlich, denn wir haben diesen Ansatz schon vor 15 Jahren entwickelt, rund um den Ausbruch mit dem Sars-Virus. Damals wurde der Wirkstoff schon an Gesunden getestet, er ist also ungefährlich und das ist unser großer Vorteil. Ob der Wirkstoff nun auch bei Patienten mit Covid-19 wirkt, werden wir in einer großen placebokontrollierten Studie testen. Der Ansatz ist vielversprechend, ich kann aber nichts versprechen.

Wie läuft diese Studie?
Wir wollen in drei Wochen in China starten, dort können wir gleich eine größere Zahl von Patienten einschließen. Wir reden aber auch schon mit Italien, der Schweiz und Frankreich, das einen großen Ausbruch in Paris erwartet. Für die Untersuchung haben wir strenge Auflagen von den chinesischen Gesundheitsbehörden bekommen und das ist gut so, denn der Wildwuchs an sinnlosen Medikamenten, die nun für das Coronavirus getestet werden, muss aufhören. Erste Ergebnisse der Studie könnten in drei bis vier Monaten vorliegen.

Wie arbeitet es sich unter dem Druck, dass die ganze Welt auf ein Medikament wartet?
Ich weiß ja schon seit 15 Jahren von diesem Mechanismus: Damals konnten wir zeigen, dass es ein Protein gibt, das das Sars-Virus als Eintrittstor in den Körper nutzt – über diesen Weg infiziert uns das Virus. Diese Eintrittstore sitzen zum Beispiel in der Lunge, im Herzen, im Darm, in der Niere – daher kann das Virus in seiner schwersten Ausprägung zu einem Multiorganversagen führen. Damit haben wir einen fundamentalen Mechanismus entschlüsselt und es ist der logische Ansatz, um das Virus zu bekämpfen. Wir haben schon gesehen, dass das neuartige Coronavirus an das gleiche Protein andockt. In der Folge kann der entwickelte Wirkstoff dafür sorgen, dass das Virus sich im Körper nicht weiter vermehrt, und kann vor den schweren Verläufen schützen. Zunächst werden wir den Wirkstoff an schwer Erkrankten testen, in Zukunft könnte er aber auch schon früher im Verlauf als Therapie eingesetzt werden.

Wir sprechen nun aber von einer Therapie und nicht von einem vorsorglichen Schutz, richtig?
Ja, wir haben den Wirkstoff als Therapeutikum entwickelt. Um die Epidemie einzudämmen, wird es aber sehr wichtig sein, dass es bald eine Impfung gibt.

Wenn das Medikament auf den Markt kommt: Wie kann man dafür sorgen, dass es auf gerechtem Weg bei den Menschen ankommt?
Das weiß ich noch nicht, aber zu diesem Thema war ich in den letzten Tagen auch zu Gesprächen bei Bundeskanzler Sebastian Kurz. Wenn das Medikament wirkt, müssen wir die Produktion hochfahren, das kostet Zeit und Geld. Aber ich bin sicher, dass es die Welt schaffen wird, eine Lösung zu finden.

Was ist Ihre Einschätzung: Wie wird es mit der Epidemie weitergehen?
In China haben die strikten Maßnahmen Wirkung gezeigt und das Virus konnte unter Kontrolle gebracht werden. Hier in Europa, aber und auch in Nordamerika gehen die Kurven jetzt steil nach oben – das heißt, wir stehen erst am Anfang der Epidemie, leider. Es gibt ja auch apokalyptische Hochrechnungen, wonach sich 60 bis 70 Prozent der Menschheit mit dem Virus infizieren werden. Doch eine endgültige Antwort haben wir noch nicht.

Wie bewerten Sie die weltweiten Reaktionen auf die Epidemie?
Die Länder reagieren sehr unterschiedlich: Ob wir richtig reagiert haben, werden wir erst wissen, wenn die Epidemie vorbei ist. Doch ich meine: Es ist besser, jetzt alle, auch sehr strenge Maßnahmen zu erlassen, anstatt im Nachhinein zu bereuen, etwas nicht getan zu haben.

Werden wir lernen müssen, mit dem Virus zu leben?
Das ist möglich: Manche Experten sagen, es könnte zu einer saisonalen wiederkehrenden Ausbreitung ähnlich wie bei der Grippe kommen. Wir dürfen nicht vergessen: Dieses Virus haben wir Menschen noch nie gesehen, und das Virus hat uns auch noch nie gesehen. Es wird sich zeigen, wie wir miteinander umgehen – wir sehen ein globales Experiment.