Das neuartige Coronavirus steht vor den Toren Österreichs: Wie gefährlich ist es?

Ursula Wiedermann-Schmidt: Wir wissen jetzt, dass die Übertragung des Virus relativ leicht möglich ist. Ähnlich wie die Grippe kann es über die Tröpfcheninfektion von Mensch zu Mensch weitergegeben werden. Beim Großteil der Betroffenen verläuft die Krankheit mild, das heißt, es sieht aus wie ein grippaler Infekt. Husten und Fieber können auftreten, die Beschwerden verschwinden nach sieben bis 14 Tagen. Aus China wissen wir, dass es bei 17 Prozent der Betroffenen zu schweren Verläufen kommt – hier ist die Lunge stark betroffen, es kommt zu Atemnot und Lungenentzündungen. Von diesen schweren Verläufen endet wiederum ein geringer Prozentsatz tödlich. Die Todesfälle betreffen vor allem Menschen im hohen Alter oder jene mit Vorerkrankungen, wie Lungen- oder Herzkreislauf-Erkrankungen.

Ursula Wiedermann-Schmidt
Ursula Wiedermann-Schmidt © med uni wien

Wenn jemand Sorge hat, dass er sich angesteckt haben könnte – wie soll man reagieren?

Wie schon für Reisende aus China gilt nun auch für Italien: Hatte man Kontakt zu Menschen aus den betroffenen Regionen oder kommt aus diesen Regionen zurück nach Österreich und bemerkt innerhalb von 14 Tagen Symptome wie Fieber oder Husten, muss man sich immer zuerst telefonisch melden! Auf keinen Fall sollte man einfach zum Hausarzt oder ins Krankenhaus fahren. Das ist wichtig, damit man das Virus nicht in Krankenhäuser oder Ordinationen einschleppt und viele andere ansteckt. Was auch nicht passieren darf, ist, dass jeder mit Schnupfensymptomen ins Krankenhaus kommt.

Stehen wir nun vor einer Pandemie?

Von einer Pandemie sprechen wir, wenn alle Kontinente gleichzeitig betroffen sind und es zu grenzüberschreitenden Ansteckungen kommt. Momentan ist der Ausbruch in Italien noch örtlich beschränkt und es besteht Hoffnung, dass er eingedämmt werden kann. Auch die steigenden Temperaturen spielen eine Rolle: Coronaviren fühlen sich bei kalten Temperaturen wohler, das könnte helfen, eine Pandemie zu verhindern.

Ausbrüche mit SARS und MERS, ebenfalls Coronaviren, konnten gestoppt werden. Wie groß sind die Chancen dafür bei SARS-Cov-2?

Bei SARS war die Situation eine andere: Das Virus war schwerer übertragbar, führte aber auch zu viel schwereren Erkrankungen. Dieses neue Virus ist viel leichter übertragbar und könnte sich in die Riege jener Viren einreihen, die unser Leben begleiten, ähnlich wie die Grippe.

Werden Menschen, die am neuen Coronavirus erkrankt sind, immun dagegen?

Das versuchen Forscher gerade herauszufinden, denn es spielt auch für die Entwicklung einer Impfung eine wichtige Rolle. Jene Menschen, die nach einer Ansteckung wieder gesund geworden sind, werden nun untersucht, ob sie Antikörper gebildet haben. Unklar ist auch, wie lange eine solche Immunität anhält – das hängt davon ab, ob sich das Virus verändert, wie es die Grippe jedes Jahr tut.

Falls ein Fall in Österreich auftritt – braucht es dann auch so rigorose Maßnahmen wie in China und Italien?

Ja, wenn es möglich ist, den Ausbruch auf ein Gebiet zu beschränken, sollten alle Maßnahmen gesetzt werden, um eine Verbreitung zu verhindern. Das haben wir ja auch schon bei Masern-Ausbrüchen erlebt – die Maßnahmen sind die einzige Möglichkeit, um die Verbreitung in den Griff zu bekommen.

Was bringen Fiebermessungen am Flughafen?

Damit können nur diejenigen erwischt werden, die Fieber haben – alle anderen Menschen, die möglicherweise noch in der Inkubationszeit, die ein bis 12 Tage beträgt, sind, erkennt man so nicht. Die Messungen haben dennoch eine gewisse Berechtigung, da sie Aufmerksamkeit schaffen und eine gewisse Kontrolle ermöglichen.

Wie schätzen Sie die Lage ein?

Es besteht kein Grund zur Panik, denn Panik ist nie hilfreich. Wir haben uns sehr gut mit dem Virus beschäftigt, es gibt einen Maßnahmenkatalog, alle wissen, was zu tun ist. Nun müssen die Menschen informiert werden, damit sich alle richtig verhalten und nicht jeder mit Schnupfen ins Krankenhaus läuft. Und ich erinnere auch daran, dass wir gerade eine Grippewelle haben: Dass innerhalb einer Woche allein in Wien 15.000 Menschen an der Grippe erkrankt sind, hat niemanden aufgeregt.