Die deutsche Conterganstiftung will Medienberichten zufolge 58 durch den Contergan-Wirkstoff Thalidomid geschädigten Menschen aus Brasilien die ihnen lebenslang zuerkannten Entschädigungszahlungen streichen. Nach Informationen von "Spiegel" und anderen Medien verkündete die Stiftung in einem Brief bereits Mitte Oktober, dass sie die Anerkennungsbescheide zu widerrufen beabsichtige.

Den Berichten zufolge hatten die Mütter in all diesen Fällen in der Frühphase ihrer Schwangerschaft das Medikament Sedalis eingenommen, das den verhängnisvollen Wirkstoff Thalidomid enthielt. Der Wirkstoff stammte von der deutschen Firma Chemie Grünenthal GmbH, dem Hersteller von Contergan. Die deutsche Conterganstiftung begründete demnach ihr Vorgehen damit, dass Sedalis kein Präparat der Grünenthal GmbH sei, sondern ein Medikament, "welches durch einen Lizenznehmer in eigener Verantwortung hergestellt und vertrieben wurde". Die Conterganstiftung sei nicht für die Entschädigungen zuständig. Die Betroffenen aus Brasilien waren dem "Spiegel" zufolge vor teilweise mehr als 45 Jahren als Entschädigungsberechtigte anerkannt worden, weil die Conterganstiftung das Schlafmittel Sedalis als Grünenthal-Präparat bewertet hatte.

"Nicht einverstanden"

Der deutsche Pharmakonzern erklärte, "mit solchem Vorgehen nicht einverstanden" zu sein: "Die Conterganstiftung hat durch ihre verantwortlichen Gremien vor beinahe 50 Jahren in Kenntnis der Umstände entschieden, dass Sedalis ein Produkt war, das unter das Conterganstiftungsgesetz fällt." Grünenthal sehe "keine Veranlassung, an dieser Bewertung zu zweifeln". Derzeit gibt es laut "Spiegel" weltweit 2.584 Thalidomid-Geschädigte, die monatliche Unterstützungen von rund 700 bis 8.000 Euro erhalten.

Der österreichische Nationalrat hat 2015 eine staatliche Rente für jene Contergan-Opfer beschlossen, denen keine Leistungen nach dem deutschen Conterganstiftungsgesetz zustand. Für 25 Personen wurde eine (jährlich valorisierte) Zahlung von monatlich 425,80 Euro vorgesehen. In Österreich gab es im Vergleich zu Deutschland nur relativ wenige Contergan-Opfer, weil die Rezeptpflicht für das Thalidomid-Arzneimittel nicht aufgehoben worden war. 2015 erhielten 20 der Betroffenen in Österreich eine Unterstützung durch die deutsche Stiftung.