Das Leben kann so unfair sein: Endlich ist Urlaub, und genau dann wird man krank. Sei es am glitzernden Meer oder am kühlen Bergsee, in der hippen Metropole oder während des lange geplanten Roadtrips: Erkältungen, gar Lungenentzündungen, sind Zutaten zum Traumurlaub, die man bestimmt nicht brauchen kann.

Es kann aber noch schlimmer kommen: „Aus der Literatur wissen wir, dass an den ersten Urlaubstagen auch vermehrt Herzinfarkte auftreten“, sagt Winfried Graninger, Immunologe an der Med Uni Graz. Das Darniederliegen im Urlaub ist also kein Einzelschicksal, sondern ein Phänomen, für das niederländische Forscher einen Namen geprägt haben: „Leisure Sickness“, übersetzt: Freizeitkrankheit.

Es muss auch gar nicht immer der lange Urlaub sein, der mit einer Krankheit beginnt, bei manchen reicht schon ein Wochenende und die Krankheit schlägt zu. So gibt es auch Migränepatienten, deren Attacken genau dann auftreten, wenn der Stress nachlässt.

Stress: Er scheint der zentrale Faktor zu sein, um das Phänomen der Freizeitkrankheit zu ergründen. Graninger erklärt: In unserem täglichen Leben haben wir alle ein chronisches Stressniveau. Es werden ständig Stresshormone wie Adrenalin und Cortisol ausgeschüttet. Diese Hormone wiederum wirken auf unser Immunsystem: Auf den Immunzellen gibt es eigene Andockstellen (Rezeptoren) für Stresshormone.

„Das ist der Grund dafür, dass unser Immunsystem unter Stress anders reagiert als in Ruhe und Entspannung“, sagt Graninger. So wisse man, dass sich Dauerstress negativ auf das Immunsystem auswirkt - eine zentrale Rolle dabei scheint das Hormon Cortisol zu spielen, das hemmend auf die Immunantwort wirkt.

Warum es aber nun gerade dann zum Krankheitsfall kommt, wenn der ständige Stress endlich wegfällt, ist bis dato nicht eindeutig geklärt. Ein Erklärungsansatz ist, dass unser Körper erst in der Entspannung die Ressourcen dafür hat, sich mit Krankheitserregern herumzuschlagen - die Krankheitssymptome kommen erst dann zum Vorschein.

Zu wenig Wissen

„Eigentlich wissen wir noch kaum etwas zur Leisure Sickness“, sagt Cornelia Blank, Gesundheitswissenschaftlerin an der Privatuniversität UMIT. Es gebe auch keine medizinische Definition des Phänomens - was sich im Rahmen eines Forschungsprojekts ändern soll. „Wir wollen klären: Warum werden manche krank und andere nicht? Welche Rolle spielen das Freizeitverhalten oder die Arbeitsbedingungen?“, sagt Blank.

In einer Untersuchung habe sich bereits gezeigt, dass vor allem zwei Gruppen von Menschen besonders von Leisure Sickness betroffen sind: Einerseits sind das „Arbeitstiere“, die nie abschalten können, ständig erreichbar sind. Die zweite Gruppe überraschte schon mehr: Menschen mit relativ viel Freizeit, die diese aber überhaupt nicht planen.

„Wir wollen in den nächsten drei Jahren erforschen, welche Faktoren dahinterstecken“, sagt Blank. Einen Tipp hat sie jetzt schon: Um sich im Urlaub zu entspannen, sollte man den Kontrast suchen: „Wer körperlich arbeitet, sollte in der Freizeit den Kopf beschäftigen. Und Kopfarbeiter wiederum sollten körperlich aktiv werden.“

Langsamer Umstieg

Leichte körperliche Aktivität ist auch ein Rat des Immunologen Graninger, um den Wechsel von Belastung auf Entspannung gut zu überstehen. Und: Der Umstieg sollte nicht abrupt erfolgen, sondern stufenweise. „Statt direkt von der Arbeit mit dem Auto ans Meer zu fahren und sich dort in die Liege zu legen, sollte man sich einige Tage gönnen, um ,abzukühlen', bevor man losfährt“, sagt Graninger.

Dadurch habe das erschöpfte Regulationssystem von Stress- und Immunsystem die Chance, sich auf ein gesünderes Niveau einzupendeln.