Vor rund zehn Jahren sorgte Ihr Forscherteam um Frank Madeo für weltweites Aufsehen: Der Stoff Spermidin kann das Leben verlängern. Nun haben Sie eine weitere Substanz entdeckt, die genau das tun soll – was zeichnet diesen Stoff aus?

DIDAC CARMONA-GUTIÉRREZ: Diese Substanz nennen wir DMC und sie gehört zur Gruppe der Flavonoide. Flavonoide kommen in Pflanzen vor und erfüllen verschiedene Aufgaben, sie locken Bienen an oder schützen die Pflanze vor UV-Licht. Wir haben nun entdeckt, dass DMC in Zellen die Autophagie auslösen kann. Dabei startet in den Zellen unseres Körpers ein Aufräumprozess, der sie gesund erhält – sie also verjüngt.

Wie wirkt sich dieser Aufräumprozess aus?

Wir konnten zeigen, dass die durch DMC ausgelöste Autophagie die Lebensspanne verlängert. Das konnten wir bei Modellorganismen wie Würmern und Fliegen, aber auch bei menschlichen Zellen im Labor beobachten. In Untersuchungen mit Mäusen haben wir gesehen, dass DMC auch positiv auf das Herz wirkt: Wenn bei den Tieren der Herzmuskel durch verminderte Durchblutung geschädigt wird, kann DMC diese Gewebeschädigung reduzieren. Auch das hängt mit der Autophagie zusammen.

Spermidin kommt in gewissen Nahrungsmitteln, aber auch im menschlichen Sperma vor: Findet man DMC in der Natur?

DMC ist ein Naturstoff und wir haben ihn in der Pflanze Ashitaba nachgewiesen. Diese Pflanze wird in der traditionellen asiatischen Medizin eingesetzt, auch dort werden ihr lebensverlängernde Effekte zugeschrieben.

Wie findet man einen solchen Stoff überhaupt?

Es gibt verschiedene Strategien: Entweder man sucht sich einen Angriffspunkt im Körper, der mit dem Altern zu tun hat, und sucht dann nach Substanzen, die dort ansetzen. Oder, und so haben wir es gemacht, man nimmt sich eine Reihe von Substanzen vor – bei uns waren es circa 200 – und untersucht, welcher dieser Stoffe den erwünschten Erfolg bringt. Bei uns war dieses Ziel: die Lebensspanne verlängern.

Wie sensationell ist diese Entdeckung nun?

Wir haben viele Jahre an dieser Frage geforscht, für uns ist es ein großer Durchbruch, weil wir den Effekt in verschiedenen Spezies nachweisen konnten. Das lässt uns hoffen, dass es auch beim Menschen funktionieren kann. Wir müssen jetzt weitere Studien abwarten, aber ich stufe es schon als bedeutende Entdeckung ein.

Was ist das Ziel Ihrer Altersforschung: ewiges Leben oder ein gesünderes Leben?

Natürlich geht es darum, die Zeit, die man in Gesundheit lebt, zu verlängern – aber das schließt nicht aus, die Lebensspanne insgesamt zu verlängern. Bei unseren Modellorganismen haben wir gesehen, dass die Substanz DMC die Lebensspanne signifikant verlängert – und sie leben auch besser. Aber das Ziel ist nicht, 200 Jahre alt zu werden, sondern mit 100 noch ein Fußballspielchen zu machen und am nächsten Tag einfach tot umzufallen.

Andreas Zimmermann und Didac Carmona-Gutierrez
Andreas Zimmermann und Didac Carmona-Gutierrez © (c) Uni Graz /Tzivanopoulos (Karl-Franzens-Universität Graz)

Euer Forscherteam beschäftigt sich intensiv mit dem Altern: Was sind Tipps an uns alle, um gesünder alt zu werden?

Grundsätzlich wissen wir ja, was gut für uns ist: Sport, gesunde Ernährung mit Gemüse und Obst – zu wissen, was gut wäre, bedeutet aber leider nicht immer, das wir Menschen es auch umsetzen. Was wir jedenfalls wissen: Bewegung löst Autophagie aus, auch bestimmte Lebensmittel regen die Zellreinigung an, etwa spermidinhaltige Produkte oder schwarzer Kaffee. Und natürlich Fastenstrategien: zum Beispiel 16 Stunden pro Tag zu fasten. Wichtig ist aber, dass man sich mit seinem Lebensstil auch wohlfühlt. Für mich ist Fasten immer schwierig, wenn ich in meiner spanischen Heimat bin, dann dreht sich vieles nur ums Essen (lacht).