Die Formel, um abzunehmen, klingt einfach: Ich muss mehr Energie verbrauchen, als ich durch Essen zu mir nehme. Warum ist Abnehmen trotzdem so schwierig?

Brigitte Erlacher: Die größte Schwierigkeit ist der erste Schritt: Die Menschen wissen oft nicht, wie sie beginnen sollen. Uns als Ärzten geht es vor allem darum, dass die Menschen beim Abnehmen zu einer gesunden Lebensweise kommen. Fettleibigkeit zieht ja viele Folgeerkrankungen nach sich - Herzerkrankungen, Fettleber, Diabetes oder auch Krebs.

Was sollte der erste Schritt sein hin zu einer Lebensstiländerung?

Brigitte Erlacher ist Internistin und Ernährungsmedizinerin
Brigitte Erlacher ist Internistin und Ernährungsmedizinerin © Kneipp

Ich gebe meinen Patienten den Tipp, mit Bewegung zu beginnen. Bewegung ist für viele Übergewichtige Neuland, daher brauchen sie viele Anleitungen, welche Bewegung für sie geeignet ist. Laufen ist am Anfang zum Beispiel gar nicht geeignet, weil es die Gelenke zu sehr belastet. Durch das Training sehen die Patienten bald Erfolge: Beim Stiegensteigen bleibt die Luft nicht mehr weg. Und: Training führt dazu, dass Muskeln aufgebaut werden - Muskelmasse verbraucht auch im Ruhezustand Energie. Je mehr Muskelmasse ich habe, desto höher ist mein Energieverbrauch und desto besser funktioniert das Abnehmen.

Welches Training empfehlen Sie am Anfang?

Am Anfang tut man sich mit Ausdauertraining leichter - mit einem Hometrainer, auf dem man sitzen kann, oder beim Schwimmen oder bei Aqua-Gymnastik, das die Gelenke schont. Wichtig ist auch, dass man regelmäßig Bewegung macht, zumindest drei Mal pro Woche.

Viele verbinden Abnehmen mit Diät: Ich esse für eine gewisse Zeit wenig und bin dann schlank. Kann das funktionieren?

Es geht beim Abnehmen nicht um Crashdiäten und Bikinifigur, sondern um die Gesundheit: Die Menschen sollen wieder gesund leben, dafür ist eine Crashdiät sicher nicht geeignet. Es geht um viele kleine Veränderungen: Wie kaufe ich ein? Was koche ich? Wie soll eine Mahlzeit zusammengestellt sein? Mit kleinen Schritten gelangt man zur nachhaltigen Veränderung.

Buchtipp
Buchtipp © Kneipp

Auch gesunde Ernährung ist für viele mit Verzicht verknüpft - wie kombiniert man Gesundheit und Genuss?

Dafür muss ich mich mit Rezepten und dem, was ich esse, beschäftigen. Ich muss aus meinem immer gleichen Speiseplan ausbrechen - aber ich kann zum Beispiel auch Lieblingsgerichte wie Schweinsbraten gesünder zubereiten, indem ich mageres Fleisch verwende und das Sauerkraut nur dämpfe. Es sollte aber bei jeder Mahlzeit viel Gemüse und Salat dabei sein. Salat ist mehr als grüne Blätter - Sellerie, Fenchel, Avocado, da gibt es so viel, das man ausprobieren kann.

Kann das Mehr an Bewegung nicht dazu führen, dass man noch mehr isst - wie findet man die richtige Balance?

Es bedeutet natürlich nicht, dass man mehr essen darf, weil man Bewegung macht. Im ersten Schritt, wenn man mit der Bewegung beginnt, bleibt das Essen noch gleich - sonst wäre es zu viel auf einmal. Doch wenn Bewegung ein Teil des Lebens geworden ist, beginnt man mit der Ernährungsumstellung. Patienten bekommen keinen Diätplan, sondern wir reden über die richtige Zusammensetzung von Mahlzeiten, welche Öle man verwendet, wie man mit Fett und Zucker umgeht.

Gibt es Lebensmittel, auf die man ganz verzichten sollte?

Ja, alle hochkalorischen Lebensmittel sollte man meiden oder nur sehr selten essen. Zuckerhaltige Getränke haben im Alltag nichts verloren, wir haben herrliches Leitungswasser, das man mit Kräutern oder Früchten aufpeppen kann.

Was ist das Idealgewicht?

Die Medizin gibt uns mit dem Body Mass Index vor, was Normalgewicht ist, was Übergewicht. Das muss man vor Augen haben - aber es kommt auch aufs Alter an. Bei älteren Menschen ist leichtes Übergewicht nicht das Schlechteste, junge Menschen haben ein langes Leben vor sich und sollten Normalgewicht anstreben. Doch das Wichtigste ist, das Wohlfühlgewicht zu erreichen: Ich kann mich gut bewegen, ich habe Folgeerkrankungen verhindert.

Sollte man sich regelmäßig auf die Waage stellen?

Das tägliche Wiegen halte ich nicht für sinnvoll! Um den Erfolg zu messen, sollte man auf den Bauchumfang schauen.

Kann jeder abnehmen - oder sind manche „angeboren“ übergewichtig und gegen die Kilos machtlos?

Sein Gewicht hat jeder selbst in der Hand. Es gibt zwar genetische Faktoren, durch die man es schwerer hat, aber allein darauf kann sich keiner ausreden. Auch wenn man in einer Familie aufwächst, wo gesunde Ernährung und Bewegung nicht vorgelebt werden und wo nur Fertigprodukte auf den Tisch kommen, ist man benachteiligt. Aber: Wer gezielt Bewegung macht und sich gesund ernährt, nimmt auch ab.