Wir stöhnen unter der Hitzewelle: Warum ist Hitze für unseren Körper so schwer zu ertragen?

Hans-Peter Hutter: Unser Organismus tut alles dafür, um die Körperkerntemperatur von 37 Grad aufrecht zu erhalten. Die einzige Kühlmöglichkeit ist das Schwitzen – um das zu intensivieren, stellt der Körper die Durchblutung um. Es wird mehr Blut in die Extremitäten, also Arme und Hände, Beine und Füße gepumpt und dort in die oberflächlichen Blutgefäße der Haut. So kann mehr Wärme abgegeben werden. Für das Herz-Kreislaufsystem bedeutet das aber eine immense Anstrengung, es muss die doppelte Leistung erbringen. Auch die Atemfrequenz steigt an, all das stresst unseren Körper.

Was sind die Folgen dieses Stress?

Zunächst ist unsere Leistungsfähigkeit eingeschränkt, das gilt sowohl für die körperliche wie auch für die geistige Leistung. Wir sehen, dass bei extremer Hitze die Krankenhausaufenthalte zunehmen, auch die akute Sterblichkeit steigt – an heißen Tagen sterben mehr Menschen.

Hans-Peter Hutter, Umweltmediziner Med Uni Wien
Hans-Peter Hutter, Umweltmediziner Med Uni Wien © KK

Wie kann Hitze tödlich enden?

Durch den Flüssigkeitsverlust kann es zu einem Kollaps kommen, der Blutdruck wird so niedrig, dass das Gehirn unterversorgt wird. Das kann zu Schwindel und Bewusstlosigkeit führen. Bei einem Hitzschlag steigt die Körperkerntemperatur auf mehr als 40 Grad. Diese Patienten sind rot, heiß und schwitzen nicht mehr – das ist eine echte Notsituation! Durch den Wärmestau kann es zum Schock und zum Organversagen kommen. Findet man einen Menschen mit diesen Symptomen, ist das wichtigste, den Körper zu kühlen und in stabile Seitenlage zu bringen.

Wer ist bei Hitze vor allem in Gefahr?

Gefährdet sind vor allem ältere Menschen ab 65 Jahren, da bei ihnen die Mechanismen des Körpers, um mit der Hitze umzugehen, nicht mehr so gut funktionieren. Sie schwitzen weniger, haben weniger Durst. Genauso gefährlich ist die Hitze auch für Säuglinge und Kleinkinder. Sie haben die Kompensationsmechanismen noch nicht ausgebildet. Auch der soziale Status ist ein Risikofaktor: Sozial schlechter gestellte Menschen, die in heißen Wohnungen leben und sich kaum vor der Hitze schützen können.

Apropos Hitzeschutz: Wie „hitzefit“ sind wie hier in Österreich?

Leider sehe ich viele Menschen, die sich „hitze-dämlich“ verhalten. Wenn manche meinen, sie müssten bei extremer Hitze weiterhin Alkohol trinken, fettig essen, enge Plastikkleidung tragen und um 14 Uhr joggen gehen, dann ist das ein Spiel mit der Gesundheit. Jeder sollte versuchen, sich so gut wie möglich an die Hitze anzupassen. Auch Innenräume gilt es, hitzefit zu machen: die Fenster am besten mit Außenjalousien verdunkeln und tagsüber geschlossen halten, um die Hitze nicht hereinzulassen, dann in den kühleren Nachtstunden lüften. Ein Klimagerät sollte immer das allerletzte Mittel der Wahl sein.

Warum?

Klimageräte sind oft Stromfresser, geben selbst Wärme ab und erhitzen die Außenluft zusätzlich. Wenn schon ein Klimagerät, dann solche, die nicht noch selbst den Klimawandel fördern.

Ein Blick in die Zukunft: Müssen wir uns auf immer längere Hitzeperioden einstellen?

Ja! Sind es momentan etwa 15 Tage pro Jahr, an denen es mehr als 30 Grad hat, werden es im Jahr 2045 bereits 40 Tage pro Jahr sein. Das bedeutet, dass Städtebau, die Land- und Forstwirtschaft und wir als Gesellschaft jetzt anfangen müssen, uns auf die Hitze einzustellen. Doch dem Gros der Verantwortlichen ist das nicht bewusst.