Nicht alles, was wir sehen, nehmen wir bewusst wahr. Das Gehirn analysiert die optischen Informationen, ordnet sie und konzentriert sich im Regelfall auf die wichtigen Dinge - etwa bei Objekten nicht nur Details, sondern ihre Gesamtheit zu erfassen. Mithilfe der funktionellen Magnetresonanztomografie haben Neurowissenschafter aus Graz und Tübingen einen Mechanismus der Gestaltwahrnehmung entdeckt.

Die vielen visuellen Informationen, die täglich auf uns einströmen, zwingen unser Gehirn, sich auf die wichtigen Dinge zu konzentrieren. Auf welche Weise es das Gehirn anstellt, den reinen optischen Informationen einen Sinn zu geben, ist bis heute nicht vollständig erforscht. Nun hat ein Team des Centrum für Integrative Neurowissenschaften (CIN) in Tübingen und dem Institut für Psychologie der Universität Graz überprüft, was im Gehirn bei der Betrachtung von bestimmten Objekten passiert. Dabei zeichnete sich ab, dass bei der Gestaltwahrnehmung vor allem ein Areal im Seitenlappen der Großhirnrinde zuständig ist - der intra-parietale Sulcus (IPS). Ihre Erkenntnisse haben die Neurowissenschafter kürzlich im Journal of Neuroscience online publiziert, wie die Universität Graz am Mittwoch berichtete.

Um herauszufinden, welche neuronalen Mechanismen bei der Gestaltwahrnehmung eine Rolle spielen, haben die Forscher den Probanden zweideutige visuelle Stimuli gezeigt. Dazu wurden insgesamt drei unterschiedliche bewegte grafische Darstellungen vorgelegt, die jeweils zwei- und dreidimensional gesehen bzw. interpretiert werden können. Parallel dazu wurde mit Hilfe der funktionellen Magnetresonanztomografie (fMRT) - ein bildgebendes Verfahren, das aufgrund des erhöhten Blutsauerstoffspiegels die Aktivität im lebenden Gehirn sichtbar machen kann - die Gehirnaktivität der Studienteilnehmer beobachtet.

"Bei allen drei Stimuli fanden wir eine gemeinsame Aktivität im IPS, wobei sie bei der komplexen, dreidimensionalen Interpretation in jedem Fall stärker als bei der einfachen war", berichtete Natalia Zaretskaya, vom Institut für Psychologie der Uni Graz. Die Probanden wurden auch gefragt, für welche Variante sie sich intensiver konzentrieren mussten, um sie zu erkennen. "Es zeigte sich, dass die Aktivität im IPS vom Grad der Konzentration unabhängig ist", hielt die Wissenschafterin fest.

"Da alle drei verschiedenen Stimuli dasselbe Ergebnis liefern, ist dies ein Hinweis darauf, dass das Aktivierungsmuster im IPS einen allgemeingültigen Mechanismus für die Gestaltwahrnehmung darstellen könnte", folgerte Pablo Grassi vom CIN in Tübingen.

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