Das Volksbegehren für ein absolutes Rauchverbot in der Gastronomie ist gestartet: Ab heute werden Unterstützungserklärungen am Gemeindeamt oder Magistrat beziehungsweise online via Handysignatur und Bürgerkarte gesammelt. Alle Informationen finden Sie hier.

Zunächst müssen 8.401 Unterschriften gesammelt werden, um das Volksbegehren einleiten zu können. Dann wird der weitere Zeitplan vom Innenministerium festgelegt. Diese "ersten" Unterschriften gelten auch gleich für das eigentliche Volksbegehren – es muss also kein zweites Mal unterschrieben werden.

Ansturm führt zu EDV-Problemen

"Wir haben schon viele Unterschriften", sagte Kammerpräsident Thomas Szekeres Donnerstag kurz nach Mittag gegenüber der APA. Der Ansturm führte sogar zu EDV-Problemen. "Wir haben Anfragen, wonach die Abgabe der Unterstützungserklärung bei manchen Gemeinde-oder Bezirksämtern sowie über per Handy-Signatur nicht funktionierte", betonte eine Sprecherin der Standesvertretung.

Die Wiener Ärztekammer fragte beim Innenministerium nach. "Wir erhielten die Auskunft, dass das dem großen Ansturm geschuldet ist", sagte die Sprecherin. Der Computer-Server hätte die Anfragen nicht bewältigt. "Man hat uns gesagt, dass das System so schnell wie möglich wieder funktionieren wird." Man arbeite an dem Problem. Szekeres betonte, dass man in den kommenden Wochen möglichst viele Unterstützungserklärungen sammeln wolle. "Die zählen ja dann auch für das Volksbegehren", sagte der Ärztekammerpräsident.

Kurz nach der Pressekonferenz in Wien brach der Server zur Online-Petition offenbar unter dem Ansturm der Unterzeichnungs-Willigen zusammen. Die Oppositionsparteien unterstützen das Volksbegehren von Wiener Ärztekammer und Österreichischer Krebshilfe gegen die Pläne der schwarz-blauen Regierung, das geplante generelle Gastro-Rauchverbot wieder zu kippen. 

"Eine Schande"

"Was für drei Jahren gelungen schien, ist jetzt wieder in Gefahr. Es ist eine Schande, dass wir hier sitzen", sagte der Onkologe Hellmut Samonigg, Rektor der Med Uni Graz, bei der Pressekonferenz. Tabak sei die einzige Substanz, die die Hälfte ihrer Konsumenten tötet. Ein Drittel aller Krebsfälle werden durch das Rauchen verursacht - auch Atemwegs-, Herzkreislauf-, Augen- und Hauterkrankungen hängen mit dem Qualm zusammen. Dramatische Auswirkungen hat das Rauchen auf Kinder und Neugeborene.

Strickleiter zum Mond

Um sich vorstellen zu können, wie viele Menschenleben Rauchen in Österreich jedes Jahr fordert, benutzte Samonigg das Bild eines Flugzeugabsturzes: Jedes Monat stürze ein Airbus mit 850 Rauchern an Bord in Österreich ab, insgesamt sind es 13.000 bis 14.000 Menschen, die jährlich am Rauchen sterben. Besonders tragisch: Auch ein Airbus und ein Kleinflugzeug mit passiv mitrauchenden Menschen, darunter Kinder und Jugendliche, stürze pro Jahr ab - 1000 Menschenleben fordert der Passivrauch jedes Jahr. 

"In den vier Minuten, die ich hier spreche, werden in Österreich 120.000 Zigaretten verraucht", sagte Samonigg. Mit den innerhalb eines Jahres gerauchten Zigaretten (16 Milliarden Stück!) könnte man eine Strickleiter bis zum Mond bauen. Er, Samonigg, habe in seinem Berufsleben tausende Krebspatienten, speziell Lungenkrebspatienten mit einer Fünf-Jahres-Überlebensrate bei letzteren von 20 Prozent gesehen.

"Die Regierung lässt die Raucher im Stich, die aufhören wollen, die Jugendlichen, die man davor bewahren sollte, überhaupt erst anzufangen, die Gastwirte, die sich eine einheitliche Lösung wünschen. Die Regierung lässt Österreich im Stich."

"Der größte Fehler meines Lebens"

Die Ärztin Daniela Jahn-Kuch ist Mit-Initiatorin des Volksbegehrens. Ihr Bruder, der Journalist Kurt Kuch, starb vor drei Jahren im Alter von 42 Jahren an Lungenkrebs, den jahrelanges Rauchen verursacht hatte. Er hatte als Frontmann für die "Don't Smoke"-Initiative gedient, die schließlich zum Parlamentsbeschluss für ein generelles Gastro-Rauchverbot mit Mai 2018 führte. Sie  zitierte ihn in ihrem Statement: "Kurt wollte, dass anderen sein Schicksal erspart bleibt. Er bereute es zeitlebens, mit dem Rauchen begonnen zu haben." Wie so viele Raucher dachte auch ihr Bruder, ihm werde schon nichts passieren. Mit dem Rauchen begonnen zu haben, nannte Kuch "den größten Fehler seines Lebens".

Österreich sei das Land mit den meisten Rauchern in Europa. Während überall die Zahl der Raucher stark sank (16 Prozent in Großbritannien), ging die Zahl in Österreich nur um drei Prozent zurück. Beim Schutz von Nichtrauchern liegt Österreich seit Jahren an letzter Stelle - und trumpft mit der höchsten Quote der jugendlichen Raucher auf: 14,5 Prozent der 15-Jährigen rauchen, bei den 17-Jährigen sind es 31 Prozent.

Der größte Faktor, der Jugendliche zum Rauchen bringt, ist der Freundeskreis. "Die Jugendlichen von heute sind die Raucher von morgen", sagt Jahn-Kuch. Und solange es in der Gastronomie erlaubt sei zu rauchen, werde das Rauchen von Jugendlichen als gesellschaftliche Norm wahrgenommen. "Wenn ich überall rauchen kann, dann werde ich überall rauchen", zitierte Jahn-Kuch ihren Bruder.

Gesundheit nicht verhandelbar

Paul Sevelda (Präsident der Krebshilfe): "Ab 1. Mai 2018 sollte es ein generelles Rauchverbot in der Gastronomie geben. Ich habe es nicht für möglich gehalten, dass die neue Regierung diesen Beschluss tatsächlich kippt. Jedes Jahr erkranken 5000 Österreich an Lungenkrebs, weniger als 20 Prozent von ihnen leben nach fünf Jahren noch." Die Krebshilfe hatte die Online-Petition für die Beibehaltung des Rauchverbots in die Wege geleitet - sie wurde zur "erfolgreichsten Online-Petition ever", mit mehr als 460.000 Unterstützern.

Die Gesundheit sei nicht geeignet, um zum Spielball eines politischen Deals zu werden: "Wir dürfen das nicht akzeptieren und müssen den Menschen helfen, nicht zu rauchen." Niemand verstünde, warum die Veränderung dieser Gesetzeslage Bedingung für die Koalitionsgespräche war. "Die Gesundheit der Österreicher ist nicht verhandelbar."

Besonders befremdlich sei, dass Neo-Kanzler Sebastian Kurz sich vor drei Jahren noch als Unterstützer der "Don't Smoke"-Kampagne zeigte. Seine  Unterstützung habe geendet, "als er die Chance sah, Bundeskanzler zu werden", sagte Sevelda. Auch verweigert der Kanzler die Kommunikation mit den Volksbegehren-Initiatoren.

Wo kann ich unterschreiben?

Mit dem Präsidenten Thomas Szekeres ist die Österreichische Ärztekammer Initiator des Volksbegehrens. Man wolle vor allem die Patienten über die Arztpraxen dazu motivieren, zu unterschreiben. Es werde aber auch eine breite Informationskampagne geben.

"Lungenkrebs ist in der EU die häufigste Todesursache sämtlicher Krebsarten", stellte die Wiener Ärztekammer in einer Faktensammlung zu dem Thema fest. Allein schon Passivrauchen führe zu einem um 40 bis 60 Prozent erhöhten Risiko für Asthma. Die Herzinfarktgefahr steige um rund ein Drittel, das Schlaganfallrisiko um bis zu 82 Prozent.

"Aktuell sterben jedes Jahr weltweit rund sechs Millionen Menschen durch den Tabakkonsum. Ohne dass härtere Maßnahmen getroffen werden, wird diese Zahl bis 2030 auf acht Millionen Opfer ansteigen", schrieb der "Lancet" im Jänner 2017 mit Berufung auf einen 700-Seiten-Bericht ("Die Ökonomie von Tabak und Tabakkontrolle") des Nationalen US-Krebsinstituts (NCI) und der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Einer Billion US-Dollar an Schäden (850 Milliarden Euro) - durch Produktivitätsverluste und Gesundheitskosten - pro Jahr stünden nur 269 Milliarden US-Dollar (2.294 Milliarden Euro) an Tabaksteuereinnahmen gegenüber. Für das 21. Jahrhundert wird weltweit mit rund einer Milliarde Todesopfern durch das Rauchen gerechnet.

Bei 1,8 Millionen Menschen weltweit wird derzeit pro Jahr ein Lungenkarzinom festgestellt. 1,6 Millionen Patienten sterben pro Jahr. Die Fünf-Jahres-Überlebensrate beträgt nur 15 Prozent.

Ab heute kann das Volksbegehren in jedem Gemeinde- oder Bezirksamt unterschrieben werden. Über die Handysignatur ist die Unterstützung auch online möglich. Alle Informationen, auch zu den nächst gelegenen Gemeindeämtern gibt es auf der Homepage www.dontsmoke.at

Volksbegehren

Damit das Volksbegehren eingeleitet werden kann, sind zunächst 8.401 Unterschriften notwendig. Dann legt das Innenministerium das weitere Prozedere fest. Damit das Volksbegehren im Parlament behandelt wird, braucht es 100.000 Unterstützer.

Seit 1. Jänner 2018 können Volksbegehren unabhängig vom Hauptwohnsitz in jeder beliebigen Gemeinde oder online via HELP.gv.at (Handy-Signatur oder Bürgerkarte erforderlich) unterschrieben werden.

 >> Infos zum Unterschreiben des Volksbegehrens