Danke, dass Sie mit uns über Ihre Demenzerkrankung sprechen.

Ilse Lindorfer: Ja, ich schäme mich nicht dafür. Ich kann ja nichts dafür, es ist einfach so.

Welche Symptome haben Sie zuerst bemerkt?

Ich weiß es gar nicht mehr. Mein Hirn, das ist so leer. Man vergisst halt einmal was und so manches ist nicht mehr zum Vorschein gekommen. Irgendwann fällt es mir dann wieder ein.

Ärgern Sie sich dann?

Am Anfang schon, aber jetzt nicht mehr. Es wird ja nicht anders dadurch.

Wann bemerken Sie die Krankheit außerdem?

Ich kann mir einfach nichts mehr merken. Meine Tochter sagt, schreib es dir auf. Dann sage ich, dann brauch ich ja überhaupt nicht mehr denken. Ich möchte, dass ich mir das merken kann! Aber es geht nicht mehr.

Aufschreiben ist also eine Strategie, die Sie nutzen?

Ja, neulich in der Nacht ist mir wieder eingefallen, was ich tagsüber tun wollte. In der Früh habe ich mir dann gedacht, da war doch was, und dann habe ich den Zettel gesehen und mich erinnert. Man muss sich halt auf die Situation einstellen.

Hilft Ihnen Ihr Humor?

Ja sicher. Es wird sowieso nicht anders, selbst wenn ich grantig bin. Andere Ältere sind immer überrascht. Sie sagen, dass du noch lachen kannst, obwohl du so vergesslich bist. Aber solange ich noch über mich selbst lachen kann, ist alles gut.

Sind Sie noch gerne unter Menschen?

Ja, unter Gleichgesinnten. Die reden anders miteinander als gesunde Menschen, ein wenig langsamer und lassen einem Zeit zum Nachdenken. Ich gehe zweimal in der Woche ins Tageszentrum und einmal in der Woche zum Gedächtnistraining. Das gefällt mir, da komme ich auch ein wenig zum Reden.

Also, es wird schwieriger, Gesprächen zu folgen?

Ja genau, so ist es.

Reden Sie auch über die Erkrankung?

Nein, eigentlich nicht. Am Anfang schon, aber jetzt nicht mehr.

Haben Sie früher offen gesagt, ich habe Demenz?

Na ja. Den Ausdruck hat man früher nicht gekannt. Da hat man vergesslich gesagt. Mein Nachbar sagt oft: Das hast mir eh gestern schon erzählt. Dann sage ich: Entschuldige, ich merke mir das halt nicht mehr, es geht nichts mehr in mein Hirn rein. Ich schäme mich nicht, es ist halt einfach so.

Wie reagieren die Menschen auf diese Offenheit?

Unterschiedlich. Die einen, die es nicht zugeben wollen, verstehen es nicht und sagen: Das würde ich nie sagen. Dann sage ich: Das ist halt so, man kann es nicht ändern. Es ist eine Krankheit. Punkt.

Wie hat Ihre Familie auf die Demenzerkrankung reagiert?

Verständnisvoll. Sie müssen sich auch damit abfinden. Und wenn irgendetwas ist, dann kann ich mich auf die Kinder verlassen, das war schon immer so.

Stoßen Sie im Alltag an irgendwelche Grenzen?

Ich koche und putze noch selber und beim Einkaufen gehen die Kinder mit. Ich muss mir einfach alles aufschreiben. Dann nehme ich einen Zettel und schreibe es auf und dann lege ich den Zettel irgendwo hin und finde ihn später wieder nicht. Aber ich habe eh eine kleine Wohnung (lacht). Am Kühlschrank habe ich dann meine Klebezettel und da schau ich ein paar Mal am Tag nach. Ich brauche einfach bei allem ein wenig länger. Mein Hirn tut nicht mehr so mit, wie es soll. Aber ich genieße das, was geht.

Was machen Sie gerne, wenn Sie Zeit haben?

Ich lese gerne Romane. Wenn ich ein Buch lese, weiß ich nach ein paar Seiten oft nicht mehr, was ich gelesen habe. Wenn ich mir nichts mehr merken kann, lege ich das Buch weg. An einem anderen Tag ist es dann wieder besser.

Beschäftigt Sie die Zukunft?

Nein, ich sage, es kommt eh, wie es kommt, man kann es nicht ändern. Ich hoffe nur, dass ich nicht bettlägerig werde. Manchmal vergesse ich halt was. Das tut ja nicht weh.

Danke, dass Sie so offen mit uns gesprochen haben.

Warum denn nicht? Es ist ja keine Schande.