Herr Professor Pieber, viele Menschen fasten. Als Internist und Fastenforscher: ist das eine gute Idee?

Thomas Pieber: Fasten ist ein Thema, bei dem sich in den letzten Jahren die alte Tradition mit der modernen Wissenschaft getroffen hat. Wir haben gelernt: Fasten tut Gutes. Um diesen Effekt nutzen zu können, müssen wir allerdings lernen, den Hunger auszuhalten und müssen uns von der Vorstellung lösen, immer satt sein zu wollen. Den Mehrwert, den man durchs Fasten erreicht, wird dann schon nach wenigen Tagen spürbar.

Welcher Mehrwert ist das nun, den Sie ja auch in wissenschaftlichen Studien untersucht haben?

Es gibt zwei Gründe, warum Intervallfasten – diese Fastenform haben wir wissenschaftlich untersucht – empfehlenswert ist. Die meisten von uns haben ja einige Kilos zu viel, kein Wunder in einer Lebensrealität, in der Essen ständig verfügbar ist und uns ständig angeboten wird. Mithilfe von Intervallfasten kann man wieder auf ein gesundes Körpergewicht kommen. Der zweite Aspekt: Fasten-Perioden helfen unserem Körper zu entschlacken: Sie sorgen in unseren Zellen für den Abbau von ‚Müll‘ und helfen so bei der Regeneration. Wir wissen von vielen Modellorganismen wie Hefepilzen, Würmern oder Fliegen: Sie leben länger, wenn sie regelmäßig fasten.

Thomas Pieber, Med Uni Graz
Thomas Pieber, Med Uni Graz © kk

Nun haben Sie ein Wort verwendet, dass in der Wissenschaft eigentlich als verpönt gilt, weil es falsche Vorstellungen über den Körper als „verschmutzten“ Organismus heraufbeschwört: entschlacken. Wie verstehen Sie dieses Wort?

Es geht nicht darum, dass man den Darm entschlackt, wie es oft beworben wird. Aber wenn wir unserem Körper über eine gewisse Zeit keine Kalorien zuführen – der Effekt beginnt ab 16 bis 18 Stunden ohne Nahrung - dann beginnen unsere Zellen den Müll zu recyclen, der sich in ihnen angesammelt hat. Dadurch reinigen und erneuern sich unsere Zellen, ein sehr hilfreicher Effekt also. Führen wir unserem Körper jedoch ständig Kalorien zu, kommt es nie zu dieser Erholungsphase für unsere Zellen. Man kann sich das so vorstellen, dann an all den wichtigen Schaltstellen unserer Zellen ‚Müllsäcke‘ recycelt werden – insofern ist der Begriff des Entschlackens wohl angebracht.

Es gibt ja viele Formen des Fastens: Welche empfehlen Sie?

Wir haben nur Intervallfasten untersucht, daher kennen wir den medizinischen Nutzen nur für diese Form. Leider gibt es noch keinen wissenschaftlichen Vergleich verschiedener Fastenformen. Das Intervallfasten stellt ja eine sehr typische Situation in unserer Evolution dar: Auf einen Tag ohne Nahrung kann unser Organismus gut reagieren, das hat nichts Bedrohliches. Jeder, der nicht schwanger ist oder andere schwere Gesundheitsprobleme hat, kann es ausprobieren. Unsere Studie hat gezeigt, dass Fasten bei Gesunden und Übergewichtigen wunderbar funktioniert, gerade untersuchen wir die Wirkung bei Diabetikern. Leidet man allerdings an einer Krebserkrankung oder hat andere schwere Erkrankungen, sollte das Fasten zunächst immer mit dem Arzt besprochen werden.

Macht es einen Unterschied, welche Mahlzeiten man ausfallen lässt, um auf 16 bis 18 Stunden Fastenzeit zu kommen?

Die Fasteneffekte setzen nach 16 bis 18 Stunden ein: Man kann das Frühstück und Mittagessen ausfallen lassen. Man kann das Abendessen ausfallen lassen und spät frühstücken oder auch gleich einen ganzen Tag fasten. Das muss jeder für sich selbst ausprobieren, was zum eigenen Tagesrhythmus passt. Gut wäre, wenn man zwei solcher Fastentage pro Woche schafft, drei Tage sind noch besser.