DIE FRAGE: Das klingt eigenartig: Ich liebe meine Frau, aber irgendwie hat es sich ergeben, dass ich mit einer jungen Kollegin geschlafen habe. Ich fühle mich jetzt wie ausgewechselt, sehne mich nach ihr, bin zerrissen. Warum?

Rat von Victor Chu: Warum? Weil eine sexuelle Beziehung der konstituierende und tragende Faktor für eine dauerhafte intime Beziehung ist. Deshalb stellt eine sexuelle Beziehung zu einer zweiten Person die Primärbeziehung immer infrage. Sie gefährdet diese, indem sie erotische, sexuelle, geistige Energien des Partners von der Primärbeziehung abzieht. Damit besteht die Gefahr, dass Ihrer Ehe die Grundlage entzogen wird.

Victor Chu, Beziehungscoach

Neben diesem rational verständlichen Grund gibt es noch tiefere Aspekte, warum eine sexuelle Begegnung mit einem anderen Partner eine weitreichende Wirkung haben kann. Eine Liebesbeziehung gibt uns eine der wunderbarsten Selbstbestätigungen, die es gibt. Wir fühlen uns geliebt, geborgen, aufgehoben. Wir fühlen uns als Mann und als Frau begehrt und begehrenswert. Die Liebe, die wir durch einen Sexualpartner erfahren, ist eine, die wir hautnah spüren, ja, sie geht uns bis unter die Haut. Dieses Erleben durch die Haut ist deshalb einzigartig, weil die Haut unsere leibliche Grenze zur Umwelt darstellt. Über die Haut fühlen wir uns auf das Intimste verbunden.

Zu Ihrer Frage: Da sexuelle Intimität bis unter die Haut reicht und uns erreicht, können wir sie nicht einfach willentlich abstreifen. Die erotische und sexuelle Energie aus einer Begegnung kann noch lange weitervibrieren. Wenn Sie sich diese körperlichen und emotionalen Auswirkungen vor Augen halten, wird klar, welche Bedeutung ein sexuelles Abenteuer haben kann. Es kann ein solch intensives Erlebnis sein, dass wir es nicht mehr missen möchten. Deshalb kann ein einmaliges sexuelles Erlebnis eine tiefe Bindung bewirken, ohne dass wir es intendiert haben.

Wir fühlen uns in einer Zone berührt, in die wir sonst kaum jemanden hereinlassen. Deshalb sind sexuelle Affären in ihrer Auswirkung unkalkulierbar.