Pläne für die Karenzzeit gemacht hat er sich nicht. Zum Glück, sagt Dietmar Meister rückblickend. "Ich habe mir die Karenz schon anstrengend vorgestellt, aber nicht so dermaßen intensiv und kräftezehrend", erzählt er. Seit vergangenem Juni ist der 37-Jährige in Karenz. Während seine Partnerin Vollzeit arbeitet, kümmert er sich zu Hause um den gemeinsamen Sohn, putzt, kocht und schmeißt den Haushalt.

Ein Jahr Karenz: Ein Vater berichtet

"Wenn das Kind einen schlechten Tag hat, ist es nicht leicht." Lange hat Dietmar Meister sich nicht vorstellen können, wie kräftezehrend Betreuungsarbeit tatsächlich ist. Das habe er jetzt auf die harte Tour lernen müssen, wie er sagt. "Ich habe die Intensität der Arbeit massiv unterschätzt. Das hat mich schon sehr geschlaucht, mich an meine körperlichen und zuletzt auch psychischen Grenzen gebracht." 

Die Zeit mit seinem Sohn will er dennoch nicht missen. Der 37-Jährige, der beim Österreichischen Gewerkschaftsbund beschäftigt ist, schätzt sich glücklich: "Es ist trotzdem wunderschön und ein Riesenglück, so viel Zeit mit dem eigenen Kind verbringen zu dürfen. Trotz aller Anstrengung genieße ich das."

Halbe-halbe: Erst Mama, dann Papa in Karenz

Meister und seine Lebensgefährtin teilen sich die Karenz 50:50 auf. Im Jahr nach der Geburt des gemeinsamen Sohnes war Dietmars Partnerin in Karenz, im vergangenen Jahr ist dann er an der Reihe gewesen. "Schon vor der Überlegung, ein Kind in die Welt zu setzen, war für mich klar, dass wir das aufteilen werden", so der gebürtige Südtiroler, der mit seiner kleinen Familie in Wien lebt. "Dahintersteckt ein grundsätzlicher Gedanke der Gleichberechtigung."

Meister gehört damit zu dem einen Prozent der Väter in Österreich, die länger als sechs Monate in Karenz gehen. Das zeigen die Zahlen des Wiedereinstiegsmonitorings der Arbeiterkammer Wien, bei dem die Erwerbs- und Einkommenssituation von Müttern und Vätern nach der Geburt eines Kindes analysiert wurde. Herausgekommen ist bei dem Monitoring unter anderem auch, dass bei acht von zehn Paaren der Mann weder in Karenz geht noch Kinderbetreuungsgeld bezieht. 

Väterkarenz: "Kann oder will ich mir das leisten?"

Ähnliche Erfahrungen hat auch Dietmar Meister gemacht. Als er sich dazu entschloss, ein Jahr lang in Karenz zu gehen, war er in seinem Bekanntenkreis der Einzige. Die Reaktionen auf seine Entscheidung fielen vollkommen unterschiedlich aus – von Überraschung über Unverständnis bis hin zu Bewunderung. Bewunderung wolle er aber keine, so der 37-Jährige: "Frauen machen das die ganze Zeit." Er wünsche es sich viel mehr als Normalzustand, dass sich Mütter und Väter die Karenz aufteilen.

Dietmar Meister mit seinem Sohn
Dietmar Meister mit seinem Sohn © Privat

Ein weiteres Thema, das in den Gesprächen mit Bekannten immer wieder aufkam: der finanzielle Aspekt. Einige Männer argumentierten dem Südtiroler gegenüber immer wieder, sich eine Karenz schlicht nicht leisten zu können. Dietmar Meister findet dazu klare Worte: "Kann man es sich leisten oder will man es sich leisten? Wenn man es sich leisten kann, geht es um das Leisten wollen. Was ist mir das Kind wert?" Dabei gehe es ihm nicht darum, sich in einer prekären Lage befindliche Männer zur Karenz zu "zwingen", sondern viel mehr an jene Männer zu appellieren, die sich eine Karenz sehr wohl leisten können. 

Väterkarenz: Was muss sich gesellschaftlich ändern?

Dietmar Meister und seine Partnerin selbst haben sich beim Kinderbetreuungsgeld für die einkommensabhängige Variante entschieden. Dabei werden zirka 80 Prozent des letztens Einkommens ausbezahlt, jedoch zeitlich beschränkt auf etwa 14 Monate. Dass künftig Geld fehlen würde, war dem Paar bewusst: "Wir haben jetzt zwar deutlich weniger Geld monatlich zur Verfügung, aber das habe ich aufgewogen mit der Zeit, die ich mit meinem Kind verbringen darf", so Meister. "Das ist es mir wert."

Damit mehr Männer in Karenz gehen, muss sich nach Ansicht des 37-Jährigen einiges tun. "Als Einzelperson kann man im persönlichen Umfeld sicher als Vorbild wirken, aber echte Fortschritte kann es nur auf gesellschaftlicher Ebene geben." Das beginne etwa mit einem bezahlten Papamonat. Aktuell gilt dieser als unentgeltliche Dienstfreistellung (der Familienzeitbonus kann jedoch beantragt werden). Strukturelle Veränderungen könne es laut Meister aber nur durch gleiche Löhne für Männer und Frauen sowie höhere Einkommen in von Frauen dominierten Branchen geben. "Wenn sowohl die Politik als auch die Arbeitgeber wirklich Gleichberechtigung und Familienfreundlichkeit als Ziel anstreben, müssen sie dafür die Rahmenbedingungen schaffen. Alleine wird das nicht passieren."

Was es außerdem braucht: mehr Wickelmöglichkeiten auf Herren-Toiletten oder neutralen Orten. Immer wieder macht Meister die Erfahrung, dass sich diese vermehrt auf Frauen-WCs wiederfinden: "Da muss man dann kreativ werden, wo man das Kind stattdessen wickelt." 

Nach Karenz: Rückkehr in Elternteilzeit

Noch verbleiben Dietmar Meister ein paar Monate in Karenz. Im Juni wird er auf Teilzeitbasis in seinen Job als Chef vom Dienst beim Österreichischen Gewerkschaftsbund zurückkehren, während seine Partnerin weiterhin Vollzeit arbeitet. Er sagt: "Ich will am Abend nicht nur eine Stunde mit meinem Kind verbringen."