Eine feste Umarmung der besten Freundin, gemütliches Kuscheln mit dem Partner oder ein liebevolles Bussi auf die Stirn von Mama: All diese Berührungen haben eines gemeinsam – sie tun uns nachweislich gut. Aber woran liegt es, dass wir Berührungen von wertgeschätzten Menschen so sehr brauchen?

Die psychologische Beraterin Nicole Siller erklärt: „Der Mensch ist ein soziales Wesen – er will mit anderen in Kontakt sein und kommunizieren. Auch Berührung ist eine Art der Kommunikation.“ So können zärtliche Umarmungen, Küsse oder ein Schulterstreicheln von nahestehenden Menschen etwa Liebe, Zuneigung und Geborgenheit ausdrücken. Dazu kommt: Als soziales Wesen braucht der Mensch immer wieder die Rückversicherung, dass er zugehörig ist: „Werden wir auf angenehme Art berührt, zeigt uns das, dass wir ein Teil einer Gemeinschaft sind.“

Dass für die zwischenmenschliche Kommunikation in Partnerschaften, Freundschaften oder anderen Beziehungen nicht bloß die Sprache, sondern eben auch körperlicher Kontakt wichtig ist, liegt auch in der Natur des Menschen: Der Tastsinn wird bereits im embryonalen Stadium ausgebildet – und bleibt lange vorhanden: „Ältere Menschen, die vielleicht schon schlecht hören oder sehen, können Berührungen meist unverändert wahrnehmen“, so Siller.

Hormone ohne Ende

Fallen wir uns in die Arme oder kuscheln wir miteinander, passiert so einiges im Körper: Wenn man sich 20 Sekunden lang umarmt, wird das Hormon Oxytocin ausgeschüttet – welches daher auch die Namen „Bindungshormon“ und „Kuschelhormon“ trägt. Dieses wirkt im Gehirn und sorgt für positive Gefühle. Und dabei ist das Kuschelhormon in bester Gesellschaft: Auch die Glückshormone Serotonin und Dopamin werden munter ausgeschüttet, wenn wir von geliebten Menschen berührt werden.


Das ist aber längst nicht alles. Mittlerweile weiß man, dass beim Kuscheln der Blutdruck sinkt und die Herzfrequenz sich verlangsamt: „Durch Berührungen entspannt sich kurz gesagt der gesamte Organismus. Daher sind diese eine gesunde und wohltuende Sache“, so Siller.

Weniger Angst, besserer Schlaf

Diesen Effekten kommt aktuell vielleicht sogar noch mehr Bedeutung zu. „Viele der Dinge, die gerade in der Welt passieren, können zu Ohnmachtsgefühlen führen, weil man die meisten dieser Sachen schlichtweg nicht beeinflussen kann. Werde ich in einer solchen Situation von einem Freund oder Partner umarmt, signalisiert mir das: Es ist jemand da. Ich bin nicht alleine.“ Außerdem können zärtliche Berührungen Angst hemmen und zu besserem Schlaf führen – also insgesamt Stress reduzieren.

Wie wichtig Berührungen für Menschen sind, zeigte auch eine Umfrage unter österreichischen Paaren vor zwei Jahren. Dabei wurde gefragt, was mehr Stress auslösen würde: Wenn es keine Berührungen in der Beziehung gäbe oder wenn der Sex wegfallen würde. Die eindeutige Antwort: Ohne Berührungen kämen die meisten Menschen schlechter aus.

Darüber sprechen 

Doch was tun, wenn die Bedürfnisse in der Partnerschaft verschieden sind? Was kann man machen, wenn man liebend gern stundenlang kuschelt, aber der Partner oft auf Abstand geht? „Der erste Schritt muss sein, sich selbst bewusst zu machen, wie die eigenen Bedürfnisse aussehen.“ Diese sollte man dann dem Partner gegenüber ansprechen: „Man muss einfach klar sagen, was man braucht. Etwa: ,Ich bin jemand, der gern kuschelt.’ oder ,Ich muss nachts alleine auf meiner Seite im Bett liegen, damit ich schlafen kann.’ Wenn man es schafft, das anzusprechen, verringert das den Interpretationsspielraum, in dem man sich abgelehnt fühlen kann.“

Gibt es in einer Beziehung kaum oder nur wenig liebevolle Berührungen, hat das häufig folgenden Grund: „Oft ist das Missverständnis vorhanden, dass Umarmungen, Küsse und Ähnliches immer zu Sex führen müssen. Und natürlich ist es schön, wenn man mit seinem Partner kuschelt und dann das Gefühl bekommt, dass man da jetzt mehr möchte. Aber es muss einem klar sein, dass das verschiedene Ebenen sind. Berührungen können auch einfach da sein, um zu beruhigen, genießen, entspannen oder verbinden“, so Siller.

Und: Berührt werden kann man auch ganz ohne körperlichen Kontakt. „Auch Gespräche und zugewandte Blicke können berühren, guttun und angenehme Emotionen auslösen.“