Wenn Mädchen mit sechs Jahren in die Schule kommen, sind die meisten von ihnen der Meinung, dass sie für Mathematik nicht geeignet sind. Und das, bevor sie überhaupt in einer Unterrichtsstunde gesessen sind. Sie glauben oft, dass naturwissenschaftliche Berufe nur etwas für Buben sind. Als Mädchen denken sie, immer lieb, brav und schön sein zu müssen. Stevie Schmiedel beschäftigt sich seit Jahren mit den Effekten stereotyper Erziehung: „Kinder erleben ganz früh, wie sie sich ihrem Geschlecht nach zu verhalten haben. Dadurch entstehen Einschränkungen.“

Diese Art der Erziehung führe auch dazu, dass Burschen mit sechs Jahren ein minimales Vokabular haben, wenn es darum geht, ihre Emotionen auszudrücken. Sie kennen mehrere Wörter, um Wut zu beschreiben, kennen jedoch kaum Vokabeln, um andere Emotionen auszudrücken.

Konflikte im Inneren entstehen

Diese Phänomene haben unterschiedliche negative Effekte auf die jungen Menschen, die vor allem in der Pubertät zum Tragen kommen.
So nehmen Essstörungen und selbstverletzendes Verhalten bei jugendlichen Mädchen seit Ende der 80er-Jahre ständig zu. Solche psychischen Auswirkungen lassen sich auch dadurch erklären, dass Mädchen mit dem Druck aufwachsen, negative Emotionen nicht nach außen zu kehren. Daher werden die Konflikte im Inneren vergraben, wo sie zu eben solchen psychischen Auffälligkeiten führen können.


Durch die stereotype Erziehung von Burschen ergeben sich nicht weniger gefährliche Effekte. Da sie kaum lernen, ihre Gefühle zu differenzieren, sind sie oft mit ihren Emotionen überfordert. Das kann zu übermäßiger Aggression führen. Studien zeigen außerdem, dass Burschen schon im jugendlichen Alter vermehrt zu Alkoholkonsum neigen, um einen vermeintlichen Umgang mit Gefühlen zu finden.

Das fange schon im Kleinen an – so auch bei den Geschenken. Gerade für Weihnachten ist die Werbung voll mit rosa Prinzessinenspielzeug, das ausschließlich für Mädchen gedacht ist. „Wenn ein Mädchen gerne Rosa mag, ist Rosa ganz und gar in Ordnung“, sagt Schmiedel. Die Problematik liege viel mehr darin, dass solche Spielsachen einen Ausschluss beinhalten. Es wird vermittelt, dass für Mädchen nur diese rosa Sachen geeignet sind. So glauben diese oft selbst, dass komplizierte Baukästen nichts für sie sind – das ist ja schließlich Bubenspielzeug. „Vielleicht steckt aber in der Tochter die nächste Nasa-Astronautin“, sagt Schmiedel.

Versteckte Fähigkeiten entdecken

Es sei wichtig Kindern die Möglichkeit zu eröffnen, sich schon früh vielfältig auszuprobieren. „Eltern haben Angst, dass ihre Kinder ausgeschlossen werden, wenn sie sich entgegen den Normen verhalten“, ist Schmiedel überzeugt. Diese Angst sei auch berechtigt, denn ein solcher Ausschluss könne passieren. Um dem entgegenzuwirken, sei es wichtig, dass Eltern sich vernetzen und ihre Kinder weltoffen und vielfältig erziehen.

Gemeinsame Zeit stärkt die Talente

Beim Schenken gilt es für die Eltern, selbst zu handeln, denn die Industrie profitiert finanziell stark von stereotypem Spielzeug. Wird das Laufrad in Pink für ein Mädchen gekauft, besorgt man dem kleinen Bruder ein neues in „Bubenfarben“. Wie man Schenken richtig macht? Spielzeug sollte Kindern ermöglichen, ihre Fähigkeiten auszutesten. So bekommen sie schon früh die Möglichkeit, selbst ihre Interessen zu erkennen und zu fördern.

Schmiedel ist überzeugt, dass das größte Geschenk für Kinder gemeinsame Zeit ist. Daher empfehle es sich, Geschenke zum gemeinsamen Spielen auszuwählen. Dadurch ergibt sich die Möglichkeit, die Talente und Interessen des Kindes besser kennenzulernen. So können in Zukunft Geschenke verstärkt gemäß der Persönlichkeit des Kindes statt gemäß seinem Geschlecht ausgewählt werden.