Daniela Krautsack war der Welt schon immer einen Schritt voraus. Das Leben in Städten der Zukunft war das Thema, das die Medienstrategin um den Globus fliegen ließ. Immer im Gepäck: das schlechte Gewissen wegen der Oma, die man nicht an den Erfahrungen und Erlebnissen teilhaben lassen konnte. So kam die 45-Jährige auch auf die Idee zu der App „Kama“, deren Name sich aus den ersten Silben ihrer beiden Großmütter zusammensetzt. „Vielen Bekannten ging es wie mir. Es ist ein gesellschaftliches Drama. Jung und Alt leben heutzutage einfach in zwei verschiedenen Welten. Da dachte ich mir, dass es doch möglich sein muss, auch die ältere Generation ins digitale Zeitalter zu holen.“ Vier Jahre lang forschte sie zu dem Thema. „Es geht hier nicht um die ,Best Agers’, sondern um jene, die nicht mehr rauskommen und nicht am sozialen Leben teilnehmen können, aber mental noch fit sind. Jene, die allzu oft vorm Fernseher geparkt werden.“
So entstand eine auf die Bedürfnisse der Senioren zugeschnittene Software, die die Lücke zwischen Jung und Alt schließen soll. „Technik von morgen für die Geschichten von gestern“, heißt es treffend auf der Homepage. Mithilfe der App soll die Kommunikation zwischen den Generationen wieder angeregt werden. „Und zwar über die üblichen Stehsätze und den Small Talk hinaus. Dazu braucht es aber auch den Einsatz der Kinder und Enkelkinder“, erklärt Daniela Krautsack, die im Rahmen ihrer Recherche auch unzählige Interviews in Seniorenheimen führte. Auf ihre Geschichten oder Lieder angesprochen bekam sie von den Senioren immer wieder zwei Sätze zu hören: „Ja, mich hat ja nie jemand gefragt“ und „Ich hätte nicht gedacht, dass das überhaupt jemanden interessiert“. Als besonders schlimm empfanden es viele, keinen Zugang zu Fotos oder Videos der Enkelkinder zu haben. Irgendwie den Anschluss an die Familie zu verlieren.

Willkommen im Älternet!

Die Folge ist, dass die ältere Generation – oftmals auf Besuch angewiesen – so zusehends vereinsamt. In der Wiener Studie „Silver Living“, die sich mit den Wohnwünschen im Alter beschäftigte, gaben zum Beispiel 14 Prozent der Befragten an, dass sie sicher einmal einsam sein werden. Und zwei Drittel der Österreicher haben große Angst vor dieser Einsamkeit. Neben dem sozialen Aspekt kommt aber auch etwas anderes zum Tragen: Ältere haben keine Plattform und so geht Kulturgut verloren. „Wie oft hat man sich über Omas Kochkünste gefreut, aber nur die wenigsten Senioren haben ihre Rezepte auch gesammelt und aufgeschrieben“, bringt die 45-Jährige ein griffiges Beispiel, fordert Kinder und Enkelkinder aber auch dazu auf, den Älteren mehr zuzutrauen. „Fast jeder von uns hat daheim irgendwo ein altes Tablet herumliegen. Man muss sich eben die Zeit nehmen, sie herunterzuladen und ganz genau zu zeigen, wie alles funktioniert.“ In der App haben Senioren die Möglichkeit, in einem geschützten Bereich mit einer kleinen Personenschar zu kommunizieren. Sozusagen in einem Kleinstnetzwerk. Oder wie auf der Homepage steht: Willkommen im Älternet!


Im Rahmen ihrer Recherche war Krautsack aber wirklich erstaunt, dass diese immer größer werdende Gruppe von Menschen als Zielgruppe für den Markt quasi nicht existent ist. „Man hat zwar die sogenannten Best Ager, jene die noch fit und agil sind, als Zielgruppe entdeckt. Menschen, die über 80 Jahre alt sind, sind aber einfach keine Zielgruppe.“ Das liege mitunter aber auch an den jüngeren Generationen. „Es geht darum, den Senioren die Angst vorm Digitalen zu nehmen. Bemühen Sie sich und nehmen Sie sich die Zeit, sie ist gut investiert.“

Die Erfinderin der "Kama"-App: Daniela Krautsack
Die Erfinderin der "Kama"-App: Daniela Krautsack © bader-images.com

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