Im Regal des Drogeriemarkts endet die Gleichberechtigung. Hier werden Frauen weiterhin benachteiligt. Einige der Dinge, die sie hier kaufen, sind im Vergleich zu denselben Männerprodukten teurer. Ob Rasierklingen, Rasierschaum, Parfums: Selbst wenn es nur ein paar Cent pro Stück sind - im Laufe eines Lebens summiert sich das zu einem beachtlichen Betrag.

Für die USA errechnete die dortige Verbraucherschutzorganisation vor zwei Jahren in einem Vergleich von 800 Produkten eine durchschnittliche Differenz von sieben Prozent - mit teilweise massiven Ausreißern bis zu 48 Prozent bei Shampoos. Macht in Summe knapp über tausend Euro Mehrkosten pro Jahr.

Gender pricing nennt sich dieses Phänomen, gleiche Produkte für weibliche oder männliche Konsumenten unterschiedlich zu bepreisen. Es ist eine Konsequenz des Gender-Marketings. Dabei geht es um eine Zielgruppendifferenzierung auf Basis des Geschlechts.
Was bei vielen Konsumprodukten logisch und nachvollziehbar ist, wird dann zur kuriosen Spielart der Vermarktung, wenn es sich um Verbrauchsgüter des täglichen Bedarfs handelt, die sich inhaltlich eigentlich durch nichts unterscheiden - außer dass in ihrem äußeren Erscheinungsbild bei der weiblichen Variante prinzessinnenhafteRosatöne dominieren, auf der maskulinen Seite dagegen Farben vom bubenhaften Hellblau bis zu einem martialischen Schwarz den Ton angeben.

Pink Tax

Schlägt sich die Differenzierung bis zur Preisgestaltung durch, nennt man den Aufschlag auch „Pink Tax“, als Anspielung auf eine Art „Zusatzsteuer“, die Konsumentinnen zu entrichten haben. Wie ihre US-amerikanischen Kollegen hat diesbezüglich auch in Deutschland eine entsprechende Vergleichsuntersuchung der Hamburger Verbraucherzentrale teils gravierende Preisunterschiede zuungunsten der Frauen zutage gefördert.

Das Argument, der niedrigere Preis sei Ergebnis der höheren Nachfrage nach beispielsweise Einwegrasierern, greift wohl eher zu kurz. Grund für diese Ungleichbehandlung ist vielmehr ein empirisch belegbares Verhalten: Frauen sind eher als Männer bereit, für die Pflege ihres Äußeren (mehr) Geld auszugeben. Der soziale Wert beziehungsweise die Symbolik von Luxusgütern wird von Frauen höher empfunden, die Kaufbereitschaft ist signifikant höher, beweisen mehrere Studien.
Das nützt der Handel gekonnt und gnadenlos aus. Und er macht preisbewussten Kunden das Leben auch doppelt schwer. Zum einen durch die Einrichtung der Geschäftslokale. Die Regale mit Frauen- und vergleichbaren Männerprodukten liegen geografisch meist weit voneinander entfernt. Das macht Gegenüberstellungen von Produkten zumindest nicht besonders einfach. Zum anderen ist die preisliche Diskriminierung vielfach erst auf den zweiten Blick zu erkennen, weil die Packungsgrößen stark variieren.

Männer im Vorteil

Der Kombipack bei den Männern umfasst beispielsweise zehn Stück, jener bei den Frauen nur fünf, das Parfumfläschchen misst in der Herrenversion nur ein Drittel des Damenpendants. Ein valider Vergleich der tatsächlichen Kosten über Einzelstückpreise oder einheitliche Volumina erfordert ein mühsames Herumrechnen. Es kann sich - solange einem die Farbe der Verpackung oder einzelner Produktkomponenten egal ist - aber auszahlen.

Ausgeliefert ist man den Preisschwankungen dagegen in anderen Bereichen. So wird frau weiterhin für gewöhnlich beim Friseur deutlich mehr als ein Mann zahlen, bringt Thomas Foscht, Vorstand des Instituts für Marketing an der Universität Graz, ein klassisches Beispiel. Und auch ein Männerparfum taugt eben nur bedingt als Frauenduft - selbst wenn er nur die Hälfte kostet. Auch statt Blusen nur noch Männerhemden zu tragen, weil deren Reinigung samt Bügeln im Waschsalon günstiger kommt, ist wohl für die wenigsten Frauen eine alltagstaugliche Option. Und selbst bei vergleichbaren Kleidungsstücken schlägt die „Pink Tax“ zu. So kosten optisch sehr ähnliche Exemplare der Levi's Jeans 501 (Modell Skinny) im eigenen Onlineshop der Marke in der Damenversion fast zwanzig Euro mehr.

Gerecht? Nicht wirklich!

Logisch? Nicht wirklich. In Verbindung mit dem „Salary Gap“, dem Unterschied bei den Verdiensthöhen zwischen Männern und Frauen, baut sich damit eine Art Doppelmühle auf: Frauen verdienen in Österreich durchschnittlich 21 Prozent weniger, zahlen für viele Produkte aber mehr als Männer. Gerecht? Nicht wirklich.

Und auch im Kreieren von Zielgruppen und Kommunikationsmustern fällt Gender-Marketing oft in alte, überwunden geglaubte Rollenbilder. Da kreischen Frauen beim Anblick von Schuhen und Männer, wenn der Kühlschrank voll Bier ist. Kreativ? Nicht wirklich.

Aber zumindest teilweise wirkungsvoll. Denn Werbung muss mit Stereotypen arbeiten, um die Botschaft möglichst schnell und eindringlich beim Adressaten platzieren zu können. Wobei es immer wieder Versuche gibt, diese Klischees und (Geschlechter-)Grenzen aufzubrechen, um die Zielgruppen weiter zu fassen. Das kann funktionieren - wenn es gelingt, bei Dingen wie Elektronik oder Autos neben den technischen Features als Lockmittel für die Männer auch den konkreten Nutzen der Technik als Reizstoff für die Frauen zu transportieren. Das kann aber auch nicht so gut funktionieren - und kann ein Produkt in eine enge Ecke schieben, statt es für eine größere Zielgruppe attraktiv zu machen. Der VW Beetle gilt als warnendes Beispiel, der zum „Frauenauto“ und damit nicht nur für Männer uninteressant wurde, sondern auch für Frauen, die nicht in dieses Eck gestellt werden wollen.

Trend Geschlechtertrennung

Der Trend geht aber ohnehin in eine strikte Geschlechtertrennung. Vor allem bei Produkten für Kinder. „Das hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen, sowohl bei Kleidungsstücken als auch bei Spielwaren“, sagt Stefan Hirschauer von der Uni Mainz. Er spricht sogar von einem massiven „Re-Gendering“ - einer erneuten Vergeschlechtlichung von Dingen. In einer Zeit sich auflösender klassischer Rollenverteilungen interpretiert Hirschauer diese Entwicklung auch als Zeichen für Unsicherheit und nostalgische Bedürfnisse. Kinder werden dabei für Erwachsene zu einer Projektionsfläche einer heilen Genderwelt: „An ihnen wird etwas ausgelebt, was die Eltern sich mühsam abzutrainieren versuchen.“

Ohnehin mit bescheidenem Erfolg, da Verkaufsprofis immer neue Fallen auslegen. So gibt es Chips für den „Mädelsabend“ und welche für „den Männerabend“. Für Gender-Marketing-Experten mehr als nur ein Marketinggag. Denn Bezeichnungen wie „scharf und feurig“ für Männer würden den Untertitel „harter Typ“ mitliefern, „mild“ für Frauen dagegen suggeriere Schwäche; der vermehrt auf „rosa“ Produkten platzierte Zusatz „kalorienreduziert“ weise auf ein bestimmtes Körperideal hin.