Die Schlupflider oder die Falten um Nase und Mund ... kaum jemand, der auf die Frage, womit man nicht ganz zufrieden ist, mit einem überzeugten "Nichts" antworten könnte.

Und anscheinend haben der Lockdown und die damit verbundene Sicherheit, nicht von Kollegen und Freunden mit einem "Sag einmal, hast du etwas machen lassen?" "entlarvt" zu werden, viele nun endgültig zum Gang zum Schönheitschirurgen bewogen. Zu verlockend ist der Gedanke, die Narben und Schwellungen unbeobachtet im Homeoffice oder unter der Maske heilen zu lassen.

Lippen, Nase, Falten

So meldete die BBC bereits im Vorjahr, dass Schönheitschirurgen in den USA, Japan, Südkorea und Australien eine Zunahme bei Lippenvergrößerungen, Nasenoperationen, Botox oder Liftings verzeichnen würden.

Und auch in Österreich macht sich dieser Anstieg bemerkbar. "Seit ein, zwei Monaten spüren wir eine deutliche Zunahme", erklärt der Plastische Chirurg Artur Worseg auf die Frage, ob er derzeit mehr zu tun habe als in "normalen" Jahren. "Aber das Frühjahr ist bei uns immer eine starke Saison", führt Chirurg aus, der eine Praxis in Wien führt.

Gesichtsoperationen als Tabuthema

Artur Worseg, Plastischer Chirurg in Wien
Artur Worseg, Plastischer Chirurg in Wien © (c) (c) Moni Fellner

Reges Interesse herrscht vor allem an Eingriffen im Gesicht, weil diese, so Worseg, anders als am Körper, noch immer lieber von Kollegen, Freunden und Öffentlichkeit geheim gehalten werden. "Operationen im Gesicht sind immer noch ein Tabuthema, weil es mit Alter und Verbrauch zu tun hat. Keiner möchte wirklich, dass man das sieht. Beim Körper ist es etwas anderes, da kann man es auf die Genetik schieben, dann steht es einem ja quasi zu, dass man etwas machen lässt." Schreckgespenst Videokonferenz? Dass das stets eingeblendete Bild aus den unvorteilhaftesten Winkeln in Videokonferenzen nun viele zu diesem Schritt bewogen hat, glaubt der Wiener Schönheitschirurg aber nicht. Sondern dass viele nun mehr Zeit haben, um sich und ihren eigenen Körper infrage zustellen und der Umstand, dass man sich "ungesehen" wieder von einem Eingriff erholen kann. "Viele haben auch zugenommen, weil sie nicht ins Fitnesscenter gehen können. Der Lockdown spielt also sicher eine Rolle, weil man sich mehr mit sich beschäftigt und viele dadurch auch deprimiert werden, wenn man dazu neigt. Und da zweifeln eben viele als Erstes an ihrem Körper."Die Welt steckt mitten in einer Pandemie und manche nutzen diese erzwungene Pause, um sich unters Messer zu legen, könnten böse Zungen nun behaupten. Egoismus pur? Artur Worseg hat eine andere Erklärung dafür: "Wir sind Meister imVerdrängen. Viele schützen sich mit der Beschäftigung mit diesen Dingen davor, nachzudenken, was sonst noch alles passieren könnte. Andere denken sich anscheinend, ich lasse das jetzt machen, solange es noch geht und ich es mir leisten kann, wer weiß, was noch kommt."

"Ästhetik spielt keine übergeordnete Rolle"

Johann Umschaden, ist Plastischer Chirurg in Lassnitzhöhe und Wien, er hat eine etwas andere Sicht auf die Dinge. "Ich glaube nicht, dass Ästhetik jetzt eine übergeordnete Rolle spielt, weil Menschen derzeit wirklich andere Sorgen haben - das Virus, die Tests oder die Impfung."

Johann Umschaden, Plastischer Chirurg in Graz und Wien

Derzeit sei zwar auch in der Schwarzl Klinik in Lassnitzhöhe "viel los", in der Umschaden tätig ist, aber das habe vor allem einen Grund: Zu Beginn der Pandemie war diese für zwei Monate geschlossen, deswegen arbeite man derzeit noch den entstandenen Stau ab. "Natürlich habe ich auch jetzt Patienten mit einem Facelifting, die habe ich aber jedes Jahr. Sie sind schon etwas älter und sagen halt jetzt: Ich kann eh nur drinnen sitzen, eigentlich könnte ich das ja jetzt erledigen, was ich schon seit zwei, drei Jahren geplant hatte. Ja, das gibt es auch, aber es ist nicht mehr als sonst."

Zu schnell in einen Topf geworfen

Außerdem verweist Johann Umschaden darauf, dass im Bereich der Plastischen und Ästhetischen Chirurgie zu schnell alles unter dem Begriff "Schönheitsoperation" in einen Topf geworfen wird und es auch um Funktionalität gehe und nicht nur ums Aussehen. "Bei Nasenoperationen werden Funktionseinschränkungen behoben oder bei Lidoperationen die Sicht verbessert." 

Matthias Rab, Abteilung für Plastische, Ästhetische und Rekonstruktive Chirurgie am Klinikum Klagenfurt
Matthias Rab, Abteilung für Plastische, Ästhetische und Rekonstruktive Chirurgie am Klinikum Klagenfurt © (c) Rosin Karin

Matthias Rab ist Vorstand der Abteilung für Plastische, Ästhetische und Rekonstruktive Chirurgie am Klinikum Klagenfurt: "Ja, ich habe viele Patienten, die sagen, dass man ja derzeit unter der Maske nicht sieht, was gemacht worden ist. Hier spreche ich aber nicht von rein ästhetischen Dingen, sondern auch von Erkrankungen, die professionell behandelt wurden." Auch Matthias Rab erwähnt den Faktor Zeit in der Beschäftigung mit dem eigenen Körper. "Meine Töchter haben sich Apps heruntergeladen, mit denen sie mit anderen Jugendlichen trainieren konnten. Und da sieht man auch, wie schlank die anderen sind. Die Jugendlichen beschäftigen sich also sehr damit."

Imageproblem

Aber auch Matthias Rab verweist auf das Imageproblem, das Plastisch-Ästhetische Eingriffe haben. "Zum Beispiel bei Nasenoperationen. Patienten kommen und sagen: Ich bekomme durch ein Nasenloch schlecht Luft. Das ist bedingt durch eine Nasenscheidewand-Verkrümmung. Alles, was die Umgebung dann nach dieser Operation aber wahrnimmt, ist nur, dass die Nase wieder gerade und schön ist. Man darf bei den Plastisch-Ästhetischen Operationen den funktionellen Aspekt aber nicht vergessen."In einem sind sich Worseg, Umschaden und Rab aber einig: Der Gang zum Plastischen Chirurgen will immer gut überlegt sein.

Artur Worseg: "Man muss sich fragen, warum man es machen will. Mache ich es, weil ich unglücklich und unzufrieden bin und mir erwarte, dass es mir oder meiner Beziehung besser geht, wenn ich etwas machen lasse? Wenn das ein Grund ist, dann muss man immer hinterfragen, ob es keine anderen Möglichkeiten gibt. Oft reicht es schon, wenn man einfach ein bisschen abwartet, viele Krisen und Zustände vergehen ja auch nach gewisser Zeit wieder."

Vorher objektiv informieren

Johann Umschaden weist noch einmal darauf hin, dass man keinen Trends folgen sollte: "Es ist vernünftig, sehr gut darüber nachzudenken und sich vorher objektiv zu informieren."

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